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und über Abetone bis weiter zum
Brenner führt. Über eine prächtige Pla-
tanenallee und vorbei an der imposan-
ten, 1840-60 konstruierten Ketten-
brücke Ponte delle Catene, die der
noch etwas berühmteren Brooklyn-
Bridge (1883) zum Vorbild gedient ha-
ben soll, gelangt man nach 3 km nach
Bagni di Lucca mit seinen verfallenen
Parks und neoklassizistischen Villen
und Monumenten.
Bereits römische Konsuln und tosca-
nische Markgrafen legten sich in die
schwefel- und eisenhaltigen Quel-
len, um Gicht, Rheuma, Arthritis und
Impotenz zu lindern, doch so richtig
fashionable wurden die Bäder von
Lucca erst, als Napoleons Schwestern
Pauline und Elise (1805-14 Fürstin von
Lucca und Großherzogin der Toscana)
das luftige Tal zu ihrem Lieblingsauf-
enthalt erkoren.
Gekrönte Häupter und Dichterfürs-
ten wie Shelley und Lord Byron zogen
zahlungskräftige Gäste aus aller Welt
und vor allem aus England an, was
1839 gar zum Bau einer anglikani-
schen Kirche (und kurz darauf eines
Friedhofs) führte. Der russische Prinz
Demidoff stiftete ein Kurhaus und ein
Hospital, und selbst der unverbesserli-
che Spötter Heinrich Heine schwärm-
te geradezu entrückt: „Ich habe nie ein
reizenderes Tal gesehen, besonders
wenn man von der Terrasse des oberen
Bades, wo die ernstgrünen Zypressen
stehen, ins Dorf hinabschaut.“ (Reise-
bilder, 1829).
Als die High Society Ende des
19. Jh.s das Strandleben entdeckte (in
Viareggio und Forte dei Marmi, Ischia
und Capri), war bereits der Anfang
vom Ende gekommen. Die heute noch
bestehenden Thermen - „19 Quellen,
die als echte hyperthermale Mineral-
wasser anerkannt sind und zur Grup-
pe der kalkhaltigen Schwefel-Bikarbo-
nat-Quellen gehören; Fangobäder und
Zahnfleischmassagen gehören ebenso
zum Angebot wie Hydromassagen
und Vaginalspülungen“ - liegen dank
aktueller Zeitgeist-Angebote („Ökolo-
gie und Spiritualität“, Meditation mit
tibetischen Lamas) wieder voll im
Trend.
Das an Weihnachten 1837 einge-
weihte Casino, zu dessen Premiere ei-
gens das Roulette erfunden wurde,
möchte an die gute alte Tradition,
betuchten Gästen das Geld aus der Ta-
sche zu ziehen, wieder anknüpfen,
doch die seit Jahren geplante Wieder-
eröffnung steht in den Sternen.
Die Bäder von Lucca bestehen aus
drei Teilen. Hoch über Ponte a Serra-
glio an der Lima mit dem Casino Muni-
cipale thront der Ortsteil Bagni Caldi
mit dem neoklassizistischen Tempietto
Demidoff (1825) und einer Gedenk-
tafel am Tor der Piazza San Martino:
„Auf diesem heiteren Hügel wohnte
Heinrich Heine im Herbst 1882“. Im
vornehmen Ortsteil Villa weiter fluss-
aufwärts kann man im Pavillon des Cir-
colo dei Forestieri noch heute die obli-
gatorischen Makronenplätzchen zum
„Five O'Clock Tea“ einnehmen oder
bei einem Spaziergang zur nostalgi-
schen Villa Ada die wehmütige Aura
einer Evangelina Whipple (Arsen &
Spitzenhäubchen und die Ladykillers
lassen grüßen) einatmen.
 
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