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an der Via Francigena erleichterte den
Handel mit den Märkten Europas und
dem Orient, der Wohlstand zog den
Ruf nach Unabhängigkeit mit sich und
führte bereits 1080, rund hundert Jah-
re früher als in Florenz und Siena, zur
Wahl von Konsuln. 1162 erkannte Kai-
ser Friedrich Barbarossa Lucca als freie
Stadt an.
Vom unermesslichen Reichtum des
11. und 12. Jh.s zeugen noch heute die
zahllosen Kirchengründungen aus je-
ner Zeit; in Konkurrenz zu den Bischö-
fen errichteten die selbstbewussten
Bürger ein eigenes Gotteshaus am Fo-
rum ( San Michele in Foro ) und began-
nen 1190, einen zweiten Mauerring
um ihre Stadt zu legen. Als Lucca Via-
reggio zum Hafen auszubauen ver-
suchte, kam es zum ersten von vielen
Kriegen mit Pisa, die erst 1284 ein En-
de fanden, als Pisa die Seeherrschaft
an die mit Lucca verbündeten Genue-
sen verlor.
Ein ungleich mächtigerer Rivale er-
wuchs Lucca in Florenz. Zusätzlich ge-
schwächt durch die endlosen Fehden
zwischen Guelfen und Ghibellinen,
begann die Seidenstadt ihre Monopol-
stellung zu verlieren und fiel 1314 so-
gar kurzfristig an einen pisanischen
Ghibellinenführer, der die republikani-
sche Verfassung aufhob und sich zum
Alleinherrscher aufschwang. Die Zeit
war reif für Castruccio Castracani
(1281-1328). Schon der Name des
skrupellosen Raubritters und Söld-
nerführers ließ seine Feinde erschau-
ern („Hundekastrierer“), und binnen
weniger Jahre machte er sich die hal-
be Toscana untertan. Den Sturm auf
Florenz (und Oberitalien) verhinderte
nur eine tödliche Malaria, die sich der
selbsternannte Herzog zuzog, zumin-
dest nach Ansicht Machiavellis, der
ihm eine Biografie widmete und als
den idealen „Principe“ verherrlichte.
Erst Ende des 14. Jh.s kehrten wieder
ruhigere Zeiten ein. Unter dem stren-
gen Regime des adligen Stadtvogts
Paolo Guinigi (1400-1430) erlebte
Lucca eine letzte Blütezeit, ehe im
16. Jh. auch sie von der Krise der tos-
canischen Textilproduktion ergriffen
wurde. Die Zeit des unbegrenzten
Wachstums war vorbei. Ein Großteil
der nicht mehr lukrativ anlegbaren
Vermögen floss, wie in Florenz, in die
berühmten Luccheser Villen, sprich in
die Landwirtschaft, ein anderer, kaum
minder beträchtlicher in das giganti-
sche Projekt des dritten Festungsrings.
Über hundert Jahre vergingen bis zu
seiner Fertigstellung (1645), aber sei-
ne einzige Bewährungsprobe schlug
bei der großen Überschwemmung
1812; Florenz und die Medici hatten
Besseres zu tun, als sich vor den Toren
des einstigen Rivalen eine blutige Na-
se zu holen.
Isoliert und selbstgenügsam bewahr-
te die Luccheser Republik ihre Unab-
hängigkeit bis 1799, als Napoleon sie
als Fürstentum für seine Schwester
Elisa Baciocchi requirierte.
Nach einem kurzen, aber wichtigen
Interregnum unter bourbonischer
Herrschaft (1814-47) fiel Lucca gera-
de noch rechtzeitig an die Toscana,
um wenige Jahre später (1860) dem
vereinigten Königreich Italien beitre-
ten zu können.
 
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