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Personifizierung der Schlechten Regierung, umgeben von den Lastern, ist die Tyrannis
(des Alleinherrschers), die die Justitia in Fesseln schlägt. Wir sehen Mord und Totschlag
in den Straßen, zerstörte Stadtmauern, links Timor, der mit gezücktem Schwert aus dem
Stadttor schießt, plündernde Soldatenhaufen, verwaiste Felder und Ruinen. Kein Wun-
der, dass der Zustand des Freskos deutlich schlechter ist als das der guten Regierung,
dem Ergebnis von Vernunft, Gerechtigkeit und republikanischer Herrschaft.
Allegorie der Guten Regierung. Zu Füßen der Tugenden (Friede, Tapferkeit, Klugheit,
Großmut, Mäßigung, Gerechtigkeit), in deren Mitte die Civitas, die Verkörperung des
Buon Governo, thront, rechts knieende Feudalherren und geknebelte Söldner, links der
Rat der Stadt. Über dem letzten in der Reihe befindet sich der Thron der Justitia (Ge-
rechtigkeit) und über ihr die Sapientia (Weisheit) mit einer Waage, die von der Justitia im
Gleichgewicht gehalten wird. Von den beiden Waagschalen führen Seile zu Concordia
(Eintracht), die sie bündelt und an den Rat weitergibt. Darunter steht geschrieben: „Rich-
tet eure Augen auf, die ihr regieret, um die zu bewundern, die hier erscheint. Seht, wie viel
Gutes von ihr kommt, wie süß das Leben und wie ruhig die Stadt ist, in der man diese Tu-
genden pflegt.“
Die Aufforderung an die Regierenden ist genauso unzweideutig wie die Allegorie, die
es ihnen selbst in die Hände legt, für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Recht und
Herrschaft zu sorgen. „Ambrosius Laurentii de Senis hic pinxit“ - Ambrogio Lorenzetti
aus Siena hat dies gemalt.
Über die Folgen der Guten Regierung für Stadt und Land gibt der Höhepunkt des
Zyklus Auskunft. Froh, hell und betriebsam zeigt sich die Stadt (eine Idealstadt, doch
oben links der Dom Sienas), eine Stätte der Begegnung und des Wohlstands, das Land
drumherum wirkt friedlich und kultiviert: Mensch, Natur und Gesellschaft in idealer Har-
monie. Kleinbürgerliche Idylle, mag man spotten, doch fehlt noch genau das, was ein
solches Urteil erst ermöglichen würde - das Individuum; der subjektive, „perspektivi-
sche“ Blick, der die Welt ganz auf sich bezieht, wird erst hundert Jahre später aufkom-
men. Lorenzetti, obschon in vielem noch dem Mittelalter verhaftet, lässt hier die erste
Vision einer egalitären und humanen Gesellschaft aufscheinen, in der Stadt und Land,
der Bauer, der seine Sau vor sich hertreibt, und der Patrizier, der hoch zu Ross zur Fal-
kenjagd reitet, zwar immer noch verschiedenen Klassen zugehören, aber keine unver-
söhnlichen Gegensätze mehr sind und Hand in Hand zum Frieden und Wohlstand des
Gemeinwohls beitragen.
blasste dreiteilige Freskenzyklus über
die Folgen einer guten und schlech-
ten Regierung wurde im Auftrag des
Rates zwischen 1338 und 1340 von
Ambrogio Lorenzetti erstellt und zeigt
zum ersten Mal in der europäischen
Malerei wirklichkeitsnahe Ansichten ei-
nes Stadt- und Landlebens (s. Exkurs
oben).
In der abschließenden Sala dei Pilas-
tri befinden sich noch sehenswerte
Einzelwerke wie Ambrogio Lorenzettis
Glasbild des Erzengel Michael (um
1335). Von der rückwärtigen Loggia
im Obergeschoss hat man einen schö-
nen Blick auf den Marktplatz und die
angrenzenden Gemüsegärten bis weit
in die Ebene hinein.
 
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