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rade auf dem Gipfel seiner Entwick-
lung angelangt war.
Fünfzehn Geschlechtertürme aus
dem 13. Jh., deren spektakuläre Sky-
line zu den meistfotografierten Moti-
ven der Toscana zählt, bilden das Ka-
pital der einzigen Stadt des Mittelal-
ters, die sich nicht spätestens während
der Renaissance ihrer „anachronisti-
schen“ Turmhäuser entledigte. 72 sol-
len es gewesen sein, als die Große
Pest von 1348 über den Ort kam und
ihn auf einen Schlag sowohl seiner
ökonomischen Basis wie politischen
Autonomie beraubte. Der Sturz ins his-
torische Abseits unter der Knute der
Medici und jahrhundertelange, schier
unbeschreibliche Armut konservierten
wie unter einer Glasglocke ein Stück
Mittelalter, das heute erfolgreich mit
dem Slogan „Città delle Belle Torre“
für sich wirbt.
„Stadt der schönen Türme“ klingt
zwar schon besser als „Manhattan des
Mittelalters“, hat mit der Realität aber
genauso wenig zu tun. Denn nicht
Schönheitssinn, sondern „Hader und
Großmannssucht“ trieben diese „Obe-
liske des Hasses gegen den Himmel“
(Eckart Peterich).
Schon Mitte des 16. Jh.s waren von
den 72 nur mehr 25 übrig, und was
die folgenden Zeiten überdauerte, fiel
und wankte im Sommer 1944, als die
deutsche Artillerie sich die von den Al-
liierten besetzte Stadt koste es was es
wolle zurückzuholen versuchte. Ver-
gilbte Fotografien vergangener Tage
belegen das Ausmaß der Verwüstung,
enthüllen aber auch, wie viel Verbor-
genes (oder nie Existierendes) erst im
Zuge von Stadtverschönerungen neu
entdeckt bzw. hinzugefügt wurde: To-
re, Zinnen, Erker, Loggien, Treppen,
Durchgänge, ja ganze Gassen. Als von
der UNESCO zum Weltkulturerbe er-
klärtes Monument sieht San Gimi-
gnano heute vermutlich „mittelalterli-
cher“ aus als im Mittelalter selbst.
Mehr als 8 Mio Besucher strömen
jedes Jahr in das kleine „St. Jimmy“,
das nicht mal ein Tausendstel so viel
Einwohner zählt. Natürlich ist San Gi-
mignano ein Tummelplatz der Massen
mit Kitsch & Kunst aus aller Welt, aber
trotz allem immer noch ein schöner
und liebenswerter Ort, dessen Reiz
weniger in überragenden Bauwerken
und Kunstdenkmälern liegt als in dem
einmaligen Ensemble. Und wenn sich
am frühen Abend die Abgase der Rei-
sebusse vor den Stadttoren zu lichten
beginnen, hat man mit etwas Glück
selbst in der Hochsaison die halbe
Stadt „für sich allein“ - vorausgesetzt,
man bleibt in ihr über Nacht. Was wir
hiermit empfehlen wollen.
d
Geschichte
Wie viele Orte verdankt San Gimi-
gnano seine Existenz der Franken-
straße, auf der Pilger und Händler seit
dem 8. Jh. gen Rom zogen. Bereits vor
der Jahrtausendwende, als die aufstre-
bende Handelsstadt noch den Bischö-
fen Volterras unterstand, errichtete
man einen befestigten Mauerring um
die Stadt, dem Ende des 12. Jh.s ein
zweiter folgte, mit den Toren, wie sie
im Prinzip noch heute bestehen. 1199
nutzte San Gimignano die Rivalitäten
 
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