Travel Reference
In-Depth Information
Il Chianti
Als in den sechziger Jahren des 20 Jh.s die ersten Ausläufer der Italo-Welle - Pizza und
Chianti - Deutschland erreichten, galt der Wein aus den rundbäuchigen, zunächst mit
Bast, später mit Plastik umwickelten Fiaschi als dünner Folklorefusel, der seinem Namen
- Fiasko! - vollauf gerecht wurde. Die Zeiten haben sich gründlich geändert.
Geschichte
Der Chianti war wahrscheinlich der erste trockene Rotwein der Welt. Bereits im 12. Jh.
gab es in Florenz annähernd 100 Osterien, und ihre Zahl stieg im Lauf der nächsten
Jahrhunderte noch sprunghaft an. So wie nördlich der Alpen das Bier zunächst von
Mönchen gebraut wurde, waren es in der Toscana vor allem Ordensbrüder, die sich mit
der Weinherstellung befassten. Vermutlich waren es die Vallombrosaner, die im 11. Jh.
in ihren Abteien Badia a Coltibuono und Badia a Passignano den Weinanbau im Chianti
einführten. Adel und Besitzbürgertum begannen sich erst ab dem 15./16. Jh. für Land-
wirtschaft und Weinanbau zu interessieren.
Von einem Chianti im heutigen Sinne kann man freilich erst seit dem 19. Jh. sprechen.
Bettino Ricasoli entwickelte die klassische „Chianti-Formel“, wie sie noch heute besteht
(außer dass sich Misch- und Mengenverhältnisse geändert haben) um 1835 auf seinem
Stammsitz Castello di Brolio im Süden des Chianti. Der „eiserne Baron“, der nach dem
Tod Cavours 1860 Premierminister Italiens wurde, züchtete die traditionelle Sangiovese-
Traube zu ihrer vollen „Leistungsstärke“ heran, setzte das optimale Mischverhältnis der
Rebsorten fest und erfand den für den Chianti charakteristischen Governno, eine zweite,
künstlich herbeigeführte Gärung, die dem ursprünglich eher leichten Wein mehr Reife
und Substanz verlieh. Aufgrund der verbesserten Keltermethoden wird auf die Nach-
gärung heute allerdings mehr und mehr verzichtet.
Rebsorten
Chianti wird traditionell aus zwei roten und zwei weißen Traubensorten gekeltert, von
denen der mit Abstand wichtigste der rote Sangiovese ist, der den Chianti (auch unter
anderen italienischen Weinen) so unverwechselbar macht; ihr Anteil beträgt mindestens
75 %, bei hochwertigen Tropfen aber auch 90 % oder mehr. Die anderen vorgeschrie-
benen Sorten sind Canaiolo (rot) sowie Trebbiano und Malvasia (weiß), doch hat der An-
teil der weißen Trauben stetig abgenommen, und die meisten Spitzen-Chianti verzichten
heute ganz auf sie. Seit 1984 sind auch andere Sorten (maximal 10 %) zugelassen, und
vor allem die Bordeaux-Rebe Cabernet-Sauvignon hält Einzug in die besseren Weine.
Der Mythos des Gallo Nero
Der geschichtsträchtige „Schwarze Hahn“, das erste Markenlabel der Geschichte,
geht auf eine populäre Legende zurück. Als die verfeindeten Stadtrepubliken Florenz
und Siena 1208 ihre Territorien neu festlegen wollten, wurde vereinbart, aus jeder Stadt
einen Reiter beim ersten Hahnenschrei aufbrechen zu lassen; die Grenze sollte dort ver-
laufen, wo sie sich treffen würden. Die listigen Florentiner hielten ihren schwarzen Hahn
aber tagelang vom Fressen ab (nach einer anderen Version: von seiner Lieblingshenne),
sodass das verzweifelte Tier bereits mitten in der Nacht loskrähte und der florentiner
Reiter schon fast vor den Toren Sienas angelangt war, ehe sein Kontrahent überhaupt
zum Aufbruch rüstete. 1384 wurde der legendäre Hahn zum Symbol der in Radda ge-
 
Search WWH ::




Custom Search