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kommunarden aus den sieben Bergen in
selbstgestricktem Shetland, und die stau-
nenden Paare mit Reiseführer in der Hand,
hin- und hergerissen zwischen Frust und
Lust, Kult und Huld, weltläufiger Ge-
schmeidigkeit und provinziellem Rustiko.
Göttliche Komödie.
dem Herd stehen und wartet geduldig, bis
der Filius vom Rendezvous zurückkehrt,
das immer seltener erfolgreich verläuft -
die Geburtenrate ist in den letzten Jahren
praktisch auf Null zusammengeschrumpft.
Bauern
Früher benötigte ein Landarbeiter zwei
Monate, um 10 l Olivenöl zu produzieren,
heute reicht der Ertrag von 20 l nicht mal
für einen Tageslohn aus. Olivenöl herzu-
stellen rentiert sich nur noch, weil die EU
Subventionen zuschießt, aber für Wein
macht sich kaum noch einer krumm, wo
der Liter für schlappe
In Vino Veritas
Oder: im Tschianti liegt die Wahrheit.
Ein mindestens ebenso gutes Sprichwort
lautet „Errare humanum est“ oder „die
Dummen sterben nie aus“. Ganz früher,
zur Zeit unserer Opas, als die Toscana
noch ein Land und kein Markenzeichen
war, gab es den Chianti in rundbauchigen,
bastumwobenen Fiaschi . Sah nach Folklo-
re aus, schmeckte wie Limonade und galt
als schick. Und selbst das exotische Wort
Fiasco, das eigentlich hätte zur Warnung
dienen sollen, erinnerte unsere Vorfahren
eher an Sonne, Süden, Freude schöner
Götterfunken als an Fusel, Kater, Aspirin.
1,30 in jeder Can-
tina zu haben ist.
Klima
Von wegen O Sole Mio! Die viel besun-
genen „Zitronen“ blühen nie wieder,
wenn sie den Winter nicht geschützt in ei-
ner limonaia verbringen dürfen. Als
Faustregel gilt: die „Großwetterlage“ ist im
Prinzip wie bei uns, nur ist es immer ein
paar Grad wärmer (dafür aber auch oft
feuchter, zumindest im Frühjahr und
Herbst). Wirklich stabil sind allenfalls der
Juli (ein Wunder, wenn es mal regnen wür-
de) und der November (ein Wunder,
wenn es mal nicht regnen würde), alles an-
dere ist Glückssache („ohne Gewähr“).
Bevölkerung
„Sture Bauern und arrogante Städter“,
klassifiziert so mancher Reisende mit
Kennerblick. Ja, wenn man ihnen dumm
kommt, dann können sie auch anders, die
Toscani, wie schon der kluge Viktor Hehn
(1867) wusste: „Gewiss ist mancher deut-
sche Reisende, der in Italien noch ein
Neuling war, arg übervorteilt und schmäh-
lich überlistet worden. Der ungeschlachte
Fremdling, der nichts merkt, der die Rolle
des Riesen in den alten Märchen spielt
und am liebsten gleich dreinhauen möch-
te, reizt den Italiener unwiderstehlich zur
Spitzbüberei.“
Politik
Italiener wechseln Regierungen wie
Imelda Marcos die Schuhe - in den ver-
gangenen 50 Jahren haben sie mehr als
ein halbes Hundert über sich ergehen las-
sen. Das hat aber nicht viel zu sagen, denn
gerade in der Toscana gehört es seit jeher
zum guten Ton, gegen preti e governo,
Pfaffen und Regierung zu sein. Und so ar-
rangiert man sich mit dem Widerspruch,
den schon Dante verkörperte: einerseits
jeder für sich (Regionalismus), anderer-
seits die Sehnsucht nach dem starken
Staat (dem man aber nicht über den Weg
traut). Spätestens seit Antonio Gramsci
Mamma Mia!
Jeder dritte verheiratete Mann besucht
täglich seine Mutter, und dreiviertel aller
Junggesellen bleiben bei Muttern woh-
nen, weil Wohnungen so teuer sind und
die Frauen immer zickiger werden. Mam-
ma aber hat immer eine warme Suppe auf
 
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