Travel Reference
In-Depth Information
zu rechtfertigen, wird dem Besucher
außerdem diverser romanischer Figu-
renschmuck der Vorgängerkirche prä-
sentiert.
An den sich gegenüberliegenden Dar-
stellungen der Erbsünde lässt sich die
neue, revolutionäre Malweise Masac-
cios am deutlichsten studieren.
Während der 18 Jahre ältere Masoli-
no im Sündenfall noch ganz dem „wei-
chen“, dekorativen Stil der Gotik ver-
haftet bleibt (Harmonie, Eleganz, Sta-
tik, Flächigkeit), wirkt die Körperspra-
che in der Vertreibung aus dem Para-
dies (Evas Angst und Scham, Adams
Verzweiflung) expressiv und drama-
tisch. Alles Leid der Welt scheint auf
die Schultern dieser beiden geladen.
Masaccios Menschen sind sich ihrer
Schuld bewusst, ohne an Würde und
Schönheit zu verlieren, und werden so
zum Sinnbild der neuen humanistischen
Weltanschauung der Renaissance. Evas
verzweifelt vor ihre Blößen geschlage-
nen Hände gehen auf die Pose der
griechisch-römischen Medici-Venus in
der Tribuna (Uffizien) zurück, die über
ein halbes Jh. später auch Botticelli bei
seiner Geburt der Venus verwendete.
Der im Flug perspektivisch verkürzt
dargestellte Engel verschmilzt nahezu
mit der roten Feuerwolke, von der er
herabgleitet. Die Landschaft außer-
halb des Paradieses ist öde und feind-
lich; zwei deutliche Schatten , ein abso-
lutes Novum in der damaligen Malerei
(zusätzlich thematisiert in der Schat-
tenheilung ), lassen den schleppenden
Gang der gramgebeugten Gestalten
ins irdische Jammertal noch intensiver
erscheinen. Vasari schreibt, dass alle
großen Renaissance-Künstler die Fres-
ken studierten, „um die Vorschriften
und Regeln zu erlernen, nach denen
man Gestalten richtig darstellt“.
Santa Maria del Carmine &
Cappella Brancacci
Auf keinen Fall sollte man den Be-
such der Brancacci-Kapelle in der Kir-
che Santa Maria del Carmine versäu-
men. Als die 1286 gegründete Karme-
literkirche im 18. Jh. fast gänzlich ei-
nem Feuer zum Opfer fiel, blieb die
Kapelle mit dem schönsten und be-
deutendsten Freskenzyklus von Flo-
renz wie durch ein Wunder nahezu
unversehrt.
Masolino, ein ehemaliger Mitarbei-
ter Ghibertis, der an den Türen des
Baptisteriums mitgewirkt hatte, und
der damals erst 23-jährige Masaccio
übernahmen 1424 gemeinsam die
Freskenausstattung der von dem rei-
chen Patrizier Felice Brancacci gestifte-
ten Kapelle.
Als Masolino kurz darauf als Hofma-
ler nach Budapest ging, setzte Masac-
cio die Arbeiten fort. Nach seinem
frühen Tod vier Jahre später wurde der
Zyklus erst 1480/81 durch Filippino
Lippi vollendet. Der nach der Restau-
rierung 1990 wieder in intensiven Far-
ben leuchtende Zyklus schildert in 12
Bildern den Sündenfall und die Vita
des Apostels Petrus.
Masaccio war der erste Maler, der
die Lektionen Brunelleschis und der
neuen Bildhauer in die Malerei um-
setzte; seine festen und massigen,
gleichwohl geschmeidigen Körper
nehmen bereits Michelangelo voraus.
 
Search WWH ::




Custom Search