Travel Reference
In-Depth Information
Die Künstlerkolonie
Begonnen hat der Aufstieg des völlig unbedeutenden und
ebenso abgelegenen armen Fischerdorfes zum weitbe-
kannten Künstlermekka im Jahre 1889, als der Maler Mül-
ler-Kaempf auf einer Wanderung das Dorf und Motiv ent-
deckte, sich 1892 dort niederließ und eine Malschule eröff-
nete. Der allererste Künstler war er jedoch nicht. Schon vor
ihm logierte der Mecklenburger Landschaftsmaler Carl
Malchin im nahen Wustrow. Doch mit Müller-Kaempf be-
gann der Zuzug von Kollegen und Kolleginnen. Anfänglich
wurden die eigentümlichen Künstler- und Bohemiengestal-
ten von den einheimischen Fischern wie exotische Tiere
kopfschüttelnd bestaunt. Ein bei sonntäglichen Ausflügen
von den Wustrowern vielbestauntes „Kunstwerk“ war da-
mals der Flaschenberg, der sich im Garten des Kaempf-
schen Anwesens (heute Haus Lucas in der Dorfstraße) auf-
stapelte. Da sich Malschüler und Maler überwiegend aus
dem weiblichen Geschlecht rekrutierten (was mit seinen
Grund darin hatte, dass Frauen damals der Zugang zu Uni-
versitäten und Akademien versperrt war) und zur Jahrhun-
dertwende bereits fast so viele Künstler wie Fischer in Ah-
renshoop ansässig waren, verbreitete sich der Ruf des
Dörfchens mit dem bunten, unkonventionellen Malervölk-
chen schnell.
Insbesonders die „Malhühner“, wie die mit ihren Staffe-
leien im Dünengras hockenden und von großen Hüten be-
schatteten Künstlerinnen von der Bevölkerung genannt
wurden, waren zunehmend das Ziel von Spott und Witze-
lei. „An allen Ecken und Enden vom Darß bis zum Bodden
saßen sie und malten“, erinnert sich eine alte Ahrenshoo-
perin. In ein Gästebuch notierte ein offensichtlich generv-
ter Sommerfrischler: „Ich kam hierher ganz ahnungslos, /
Das Seebad zu genießen. / Da sah ich Maler, Pilzen gleich, /
Rings aus der Erde schießen. / Es gibt an keinem Ort der
Welt / Solch Massenheer von Pinseln / auch hört ich hinter
jedem Busch / Ein feuchtes Malweib winseln. / Sie streifen
hin durch Feld und Flur, / Bald einzeln, bald im Rudel“.
Die Künstlerkolonie wurde zum - oft humoristischen -
Thema in Theater und Roman. Das Bemühen der Maler
und Malerinnen, neue Motive zu entdecken, stieß ange-
sichts der ungewöhnlichen Populationsdichte kreativen
Schaffensdranges und der räumlichen Begrenztheit des
schmalen Dünenstreifens zwischen Meer und Bodden
schnell an Grenzen. Diese dramatische Motivverknappung
 
Search WWH ::




Custom Search