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Insel der Stille
„Der Lerm (…) ist die impertinenteste
aller Unterbrechungen, da er sogar
unsere eigenen Gedanken unterbricht,
ja, zerbricht. Wo jedoch nichts zu
unterbrechen ist, da wird er freilich
nicht sonderlich empfunden werden.“
Arthur Schopenhauer
Fragt man Inselreisende, die nicht nur eine Tagestour absolviert, son-
dern auch einige Nächte auf Helgoland verbracht hatten, was ihnen
dort besonders gut gefallen habe, so lautet die Antwort durchweg:
„Die Ruhe! Diese himmlische Ruhe!“ Denn nicht nur im Winter, auch
mitten in der Hochsaison kommt der (ohnehin nie überlaute) touristi-
sche Trubel abends zum Erliegen, und Stille zieht ein. Kein Kraftfahr-
zeug zerdröhnt den insularen Frieden, keine „tragbare Disco“ (Harald
Schmidt) zerdellt das sanfte Rauschen der Wellen, grölende Trunken-
bolde stellt der Sheriff ruhig, und die Kinder sind von der Seeluft so
müde, dass sie alle Lust am Kreischen verloren haben und nur noch
schlafen wollen.
Auf dem Festland ist die dominierende Lärmquelle im „Belästi-
gungserleben“ der Deutschen der Straßenverkehr. Millionen von Bun-
desbürgern fühlen sich durch den Lärm der Straße massiv gestört. (Al-
lerdings nie durch das eigene Auto.) Laute Sportveranstaltungen, Stra-
ßenfeste und musikalische Dauerberieselung zählen ebenfalls als
schwer erträgliche Belästigungen. Und man muss mit ihnen leben,
denn es gibt kein Entkommen. Geräusche dringen in unser Hörsystem
ein, wir können sie nicht einfach ausblenden, sondern müssen uns mit
ihnen auseinander setzen. Deshalb gilt Lärm mittlerweile als Deutsch-
lands Umweltproblem Nummer eins. Große Teile des Jungvolks sind
irreparabel schwerhörig, andere leiden am Dauerpfiff des Tinnitus.
Lärm schädigt auch das Herz (wegen Steigerung des Blutdrucks),
schwächt das Immunsystem, erhöht das Risiko für Magengeschwüre
und hat im Extrem selbst Lungenflügel kollabieren lassen. Womöglich,
vermeinen die Forscher, macht er sogar dumm, weil er, siehe Scho-
penhauer, auf den Geist geht. Bei Kindern kann exzessiver Lärm den
Grundstein für lebenslange chronische Gesundheitsprobleme legen.
Alles in allem eine beeindruckende Liste, zu der noch 2000 Jahrestote
durch lärminduzierte Leiden zu addieren sind.
Nichts von alledem auf Helgoland. Und nicht nur kehrt man von sei-
nem ruhigen Aufenthalt gut erholt zurück, sondern womöglich auch
von der Erkenntnis erhellt, dass man daheim selber einiges dazu bei-
tragen könnte, die allgegenwärtige Kakophonie einzudämmen.
 
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