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Die böse Seekrankheit
„Weder Beten hilft noch Motzen.
Alle, Machos oder (ahem) Damen,
Helgoländer oder Hotzen-
Wälder, wetterfeste Lotsen,
Skipper, die mit Meilen protzen,
Auch die vor Gesundheit strotzen,
Und fast jedem Sturme trotzen,
Werden alle einmal kotzen.“
Wendelin Renner
Einst, zu meiner Jugendzeit, hatten die Helgoländer Seebäderschiffe
noch ein ganz spezielles Verlies, über dessen Tür „Brechraum“ stand.
Schon ab Windstärke 5 war der Brechraum immer gut besucht, und
man konnte sogar vor seiner Tür schon hören, was drinnen vor sich
ging. Bei Ankunft Helgoland war dann nur noch ein kollektives müdes
Stöhnen als Bestätigung zu vernehmen, dass selbst Marmor, Stein und
Eisen bricht.
Von dieser nützlichen Einrichtung ist man inzwischen abgekom-
men. Zum einen, weil man das Geschäft ja auch mittels handlichem
„Spuckbeutel“ verrichten kann, und zum anderen wohl, weil manchen
Leuten schon beim Lesen der Inschrift schlecht geworden war. Außer-
dem sind die Schiffe heute einigermaßen stabilisiert, was bedeutet,
dass sie weniger schaukeln als einst, und die Cats sind so schnell vor
Ort, dass man gar keine Zeit zum Seekrankwerden hat. Überdies kann
man sich mit wirksamen Medikamenten gegen das Übel schützen;
empfohlen wird generell das Mittel Emesan ® . Alle anderen Patentre-
zepte, die im Verlauf einer Seereise von Gesunden an die Kranken
herangetragen werden, sind zumeist von Ironie getragener Quark
(„Legen Sie sich unter eine ausladende Eiche und lauschen Sie dem
Vogelgezwitscher!“ oder „Tropft dir die Kotze in die Schuhe, gibt der
Wind allmählich Ruhe“) und machen die Sache angesichts der
schwankenden Realität nur noch schlimmer.
Wer noch keine Seebeine hat, sollte sich - vielleicht wegen ver-
meintlicher Ballermann-Konstitution - nicht darauf verlassen, von der
Seekrankheit verschont zu bleiben. Womöglich kann man Trost darin
schöpfen, dass es jemanden, der von seiner Mannhaftigkeit mehr als
überzeugt war, nämlich den dicken Hermann Göring, auf einer stürmi-
schen Kreuzerfahrt von Helgoland nach Kiel ganz besonders schwer
erwischte. Die Offiziere des Schiffes, auf dem er sich befand, belegten
ihn daraufhin mit dem Ehrentitel „Reichsfischfuttermeister“, was Gö-
ring, dem das später zu Ohren kam, sehr ergrimmte. Und von einem
der berühmtesten Seehelden aller Zeiten heißt es: „Sogar als großer
Admiral/erbrach sich Nelson jedesmal“.
 
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