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Die Macht der goldenen Kuppeln
Warum Putins Beichtvater nicht Oberhaupt der
orthodoxen Kirche werden kann
Wenn der Beihtvater von Wladimir Putin aus seinem Büro trit und durh den
Garten des Sretenskij-Klosters zum Gotesdienst eilt, stürzen die Gläubigen auf ihn
zu und küssen ehrfürhtig seine Hände. Das Kloster liegt zwanzig Gehminuten vom
Kreml entfernt in unmitelbarer Nähe der Zentrale des Inlandsgeheimdienstes. Ar-
hemandrit Tihon, mit bürgerlihem Namen Georgij Shewkunow, hat einen röt-
lihen Bart und ist Mite fünfzig, sieht aber jünger aus. Umgeben von der ganzen
Praht eines orthodoxen Goteshauses, predigt er von Nähstenliebe, Demut, Verge-
bung und der »Notwendigkeit, das Herz zu öfnen«. Anders als bei Katholiken und
Protestanten enthalten seine Ansprahen wenig konkrete Handlungsanweisungen
und shon gar keine Politik. Spriht man ihn auf sein Verhältnis zu Wladimir Putin
an, lobt er den ehemaligen Präsidenten als »Reter Russlands«. Wer wissen will, ob er
denn tatsählih der Beihtvater Putins sei, bekommt eine ausweihende Antwort:
»Haben Sie niht eine andere Frage? Kein Kommentar«, lähelt der Erzabt dann.
Ambitionen, eines Tages zum Oberhaupt der orthodoxen Kirhe aufzusteigen, stellt
er vehement in Abrede. »Das ist so unwahrsheinlih wie, dass Sie Bundeskanzler
werden«, erklärt Tihon dann. Tatsählih kann niemand Patriarh werden, der niht
den Rang eines Bishofs hat. Tihon aber steht lediglih einem Kloster vor.
Und dennoh ist Vater Tihon eine hohpolitishe Figur. Sein Kloster gilt als eine
Kadershmiede der orthodoxen Kirhe, er selbst als einer ihrer Cheideologen. Sein
Film »Niedergang eines Imperiums. Die Lehren aus Byzanz« wurde mehrmals im
Staatsfernsehen wiederholt. Er ist so etwas wie das Manifest einer neuen, von der
Orthodoxie erträumten Staatsideologie. Der propagandistishe Streifen setzt Ostrom
mit dem heutigen Russland gleih. »Russland ist der direkte Erbe der byzantinishen
Tradition. Deshalb sind unsere Probleme so ähnlih - so wie meine Krankheiten ge-
netish mit den Krankheiten meiner Eltern zu tun haben«, sagte mir Tihon, als ih
ihn im Sommer 2008 kennenlernte. Als Ostrom 1204 aufhörte zu existieren, sah sih
Moskau als sein Nahfolger und übernahm das byzantinishe Staatswappen mit dem
Doppeladler.
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