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haotish, durh das dunkle Chaos hindurh leuhtet jedoh eine Ofenbarung. Der
negative Geist der Kritik und eine aus Verboten bestehende Gewissenhatigkeit sind
Russland immer noh völlig fremd. Der deutshen Gewissenhatigkeit droht die Ge-
fahr, dass sie erstarrt. Die Retung für Deutshland kommt aus Russland, so wie sie
für Russland aus Deutshland kommt.« Der Volkswirtshatler Max Weber
(1864-1920) stellte fest, »dass Deutshland und Russland aufeinander angewiesen
sind auf Leben und Tod«.
Das mag ein wenig übertrieben sein. Tatsählih aber sind die Interessen der
beiden Länder, bei allen Streitpunkten, eng miteinander verbunden. Russland
brauht für seine Modernisierung deutshe Mashinen und deutshes Know-how.
Deutshland brauht Russlands Rohstofe. 2008 wurden mehr als vierzig Prozent des
deutshen Erdgasbedarfs aus Russland gedekt, 2025 werden es nah Shätzungen
des Deutshen Instituts für Wirtshatsforshung bis zu sehzig Prozent sein, da die
eigene deutshe Gasproduktion stark rükläuig ist und die Liefermengen aus
Großbritannien, Dänemark und den Niederlanden abnehmen.
Gerne auh mahen sih Moskauer und Russen ein wenig über die geshätzten
»nemzy«, die »Stummen«, wie Russen die Deutshen wegen unserer shwerfälligen
und shneidenden Sprahe nennen, lustig: über Genauigkeit, die in Pedanterie um-
shlägt, die sprihwörtlihe Sparsamkeit, hinter der in den Augen der Russen nihts
anders als blanker Geiz stekt. Wenn Moskauer es beispielsweise mit einem solhen
Vorgesetzten zu tun haben, dann seufzen sie: »Was gut für den Deutshen ist, ist für
den Russen der Tod.« Oder umgekehrt: »Was den Russen freut, ist des Deutshen
Tod.«
Dieses Denken hat Tradition. Shon Dostojewskij shildert in seinem 1872 er-
shienen Roman »Die Dämonen« den deutshen Gouverneur von Lembke als einen
Ordnungsfetishisten. In Lew Tolstojs (1828-1910) Meisterwerk »Krieg und Frieden«
hat Natasha Rostowa einen deutshen Shwager. Auf der Fluht vor der Armee Na-
poleons lädt sie Pelze aus ihrem Leiterwagen, um Verwundete zu transportieren. Als
ihr Vater dagegen protestiert, raunzt sie: »Wir sind doh keine Deutshen.« Und
Leonid Andrejew shrieb Anfang des 20.Jahrhunderts einen Satz, der den Gehorsam
gegenüber der Obrigkeit aufgreit: »Für den Deutshen ist der Polizist die erste und
letzte Liebe.«
Wenn Sie länger in Moskau leben, wird Ihnen dennoh aufallen, dass solhe
Kritik meist mit Sympathie einhergeht. Sie müssen shon lange nah einem Russen
suhen, der sih abfällig über Deutshe äußert, und das, obwohl Deutshland im
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