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vergilbten Briefen und verbotenen Radioempfängern. »Der Staat möhte niht, dass
wir uns mit den dunklen Seiten der Vergangenheit beshätigen. Russland soll als
gutes und siegreihes Land gelten«, sagt sie. Das niht staatlihe Saharow-Museum
inanziert sih durh Spenden. Die Shließung droht, weil das Geld ausbleibt. Ortho-
doxe Christen und radikale Nationalisten, denen eine Ausstellung über »Verbotene
Kunst« niht ins Weltbild passte, haben zudem einen Prozess gegen den Direktor
des Museums angestrengt.
Einige der provozierenden Werke, die kein staatlihes Museum zu zeigen wagte,
sind seit Sommer 2007 in Moskaus erstem privaten Museum für zeitgenössishe
Kunst ausgestellt, dem »art4.ru«. Es liegt verstekt in einem Hinterhof der Altstadt
unweit des Konservatoriums. Dennoh steht es im Blikpunkt der Öfentlihkeit.
Denn sein Gründer Igor Markin, der mit der Herstellung von Fensterteilen zu einem
Vermögen von umgerehnet vierzig Millionen Euro gekommen ist, hat sih für einen
Mann seines Reihtums eine für das neue Moskau seltene Eigenshat bewahrt: die
Lust an der Provokation.
Markin, ein blonder Shlaks in Jeans und Turnshuhen Anfang vierzig, stellt die
angesehensten und teuersten russishen Gegenwartsmaler wie Ilja Kabakow und
Dmitrij Krasnopewzew aus. Aber auh umstritene Performancekünstler wie Oleg
Kulik, der in Russland dadurh bekannt wurde, dass er seinen Kopf in einen
Kuhanus stekte, und im Westen Aufsehen erregte, weil er sih vor einem Museum
in New York anketen ließ und kläfend Passanten ins Bein biss. »Ih beiße
Amerika, und Amerika beißt mih«, nannte er seine Aktion.
Markin ist der Antipode zu Moskaus neuem Monumentalismus, seiner Rük-
wendung zu religiös-orthodoxen Werten und seinem Flirt mit neoautoritärer
Herrshat. Anstelle eines Gästebuhes liegen für die Besuher seines Museums Filz-
stite bereit, mit denen sie ihre Meinung an die Kaheln der Toilete shreiben. Die
Kunstwerke können die Besuher ganz basisdemokratish mit »dafür« und »dage-
gen« bewerten. Bilder mit Nakten bekommen die negativste Wertung. Der
Geshmak der Moskauer ist konservativ.
In Markins Museum hängt auh ein Skandalbild der Künstlergruppe »Blaue
Nasen«. Zwei Polizisten in Uniform küssen sih in einem Birkenwald. Die Behörden
verhinderten zunähst seine Ausfuhr zu Ausstellungen im Westen, Kulturminister
Alexander Sokolow erregte sih über »diese Shande für Russland«. Gleih hinter
dem Eingang steht das mannshohe Fotokunstwerk »Marxismus de Sade«, das die
kommunistishe Ideologie auf Sadomaso-Praktiken herunterbriht. Zu sehen sind
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