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Leiden als Genuss
Warum Sie in der Banja, der russischen Sauna,
unbedingt einen Filzhut tragen müssen
Für meinen amerikanishen Freund Bill, einen Journalisten, ing das Wunder der
Banja, der berühtigten russishen Sauna, shon am Vorabend an. Bill war zum er-
sten Mal in Russland und besuhte seinen Bruder James, der mit Jewgenija zusam-
menlebte, einer ebenso klugen wie shönen Moskauerin. Am Tag nah seiner Ankun-
t überlegten wir bei einer Flashe Wein gemeinsam, welhe Sehenswürdigkeiten Bill
in nur einer Wohe unbedingt sehen musste: den Kreml, das Pushkinmuseum, den
Trödelmarkt im Vorort Ismajlowski, einige der bekannten Restaurants - vor allen
Dingen aber eine Banja. Bills Bruder lähelte still und, wie es Bill im Nahhinein
shien, auh ein wenig hinterlistig vor sih hin, als er erklärte: »Damit fangen wir
dein Moskauabenteuer an. Dann weißt du für den Rest der Zeit, woran du hier bist.«
James, der als Chef einer Werbeagentur ständig unter Strom stand, traf sih jeden
Samstag mit Verwandten seiner Verlobten zum Banjabesuh, von neun bis zwölf Uhr.
Das war der Beginn des Wohenendes, die Entspannung vom Stress der Arbeits-
wohe. Bill war sih später niht mehr so siher, ob er wirklih das Wort Entspan-
nung gehört hate oder ob es bei der Banja für seinen Bruder niht um die Fortset-
zung des Stresses mit anderen Miteln ging.
»Nimm bite auf jeden Fall Mütze und Handshuhe mit«, ermahnte Jewgenija
ihren küntigen Shwager noh. »Klar, es ist ja ziemlih kalt draußen«, antwortete
Bill, für den sih minus fünf Grad anfühlten wie ein Auslug zum Nordpol. Denn Bill
kam aus Florida, und dort gibt es nah russishem Maßstab keinen Winter. »Nein,
Mütze und Handshuhe musst du in der Sauna tragen, mein Lieber«, erwiderte Jew-
genija, ohne eine Miene zu verziehen. Bill starrte Jewgenija mit einer Mishung aus
ungläubigem Staunen und Mitleid an. Lebte sein Bruder mit einer Verrükten
zusammen?
Auh ih durte mitkommen. Kurz vor neun betraten wir die Banja. Die meisten
anderen waren shon da: Sergej, 67, den sie alle nur den »Leutnant« nannten. Er
hate dreißig Jahre bei den sowjetishen Weltraumstreitkräten gedient und arbeitete
immer noh, um seine Rente aufzubessern, bei einer Firma, die Zubehör für die
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