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Es ofenbarte sih der Untershied zwishen sozialer Marktwirtshat deutsher
Prägung und dem Turbokapitalismus, der das neue Moskau prägt. Deutshe sind
nah der Nazizeit darauf trainiert, einen Ausgleih zwishen Stärkeren und Sh-
wäheren zu suhen, in Moskau herrsht Darwinismus pur. Natürlih gibt es auh
in Deutshland Raser und Drängler, aber sie sind in der Minderzahl. Der
Autoverkehr ist von gegenseitiger Rüksihtnahme gekennzeihnet. In einer engen
Straße überlässt man shon mal dem entgegenkommenden Fahrzeug die Vorfahrt. In
Moskau zählt nur das Reht des Stärkeren. Die Rüksihtslosen setzen sih durh,
der Staat ist kein Shiedsrihter, sondern ein shizophrener Unterdrüker. Er erlässt
strenge Gesetze, shert sih aber niht um ihre Durhsetzung. Die Bürger kennen
entweder die Gesetze niht, oder sie halten sih niht dran. Es sheint, als häte ein
Diktum von Alexander Herzen (1812-1870) noh heute Gültigkeit: »Die himmels-
hreiende Ungerehtigkeit der einen Hälte seiner Gesetze hat das Volk gelehrt, auh
die andere Hälte zu hassen. Es unterwirt sih ihnen wie einer Maht. Die völlige
Ungleihheit vor dem Geriht hat ihm jede Ahtung vor der Gesetzlihkeit abgetötet.
Der Russe, ganz unabhängig von seiner gesellshatlihen Stellung, umgeht oder
verletzt das Gesetz überall da, wo er dies ohne Strafe tun kann. Und die Regierung
maht es genauso.« So existiert Russland seit Jahrhunderten im Spannungsbogen
von autoritärem Obrigkeitsstaat und Anarhismus.
Zeit also, meinen Kindern einige wihtige Überlebensregeln für unseren
Aufenthalt in dieser aufregenden, aber anstrengenden Stadt einzutrihtern. »Max,
Moritz«, sagte ih mit fester Stimme, »in Moskau fahren die Autos viel shneller als
in Deutshland.« Moritz wollte noh wissen: »Dürfen die das?« Ih entshloss mih,
die Antwort für später aufzuheben. Sie häte lauten müssen: eigentlih niht. Auh
Russland hat eine Straßenverkehrsordnung. An das Tempolimit von sehzig Kilo-
metern halten sih aber niht einmal Fahrshüler oder halb blinde Rentner. Die Pol-
izei duldet in der Regel eine Übershreitung von dreißig Kilometern und shreitet
erst ab Tempo neunzig ein.
Dann verkündete ih meinen Kindern zwei Regeln, die jeder Moskaubesuher im
Kopf halten sollte, wenn ihm Gesundheit und Leben lieb sind.
Erstens: Das Überqueren der Straße ist grundsätzlih lebensgefährlih. Shon der
Shritsteller Nikolaj Gogol hate Anfang des 19. Jahrhunderts festgestellt: »Welher
Russe liebt niht shnelles Fahren.« Damals war die Troika, das Dreigespann mit
Shlitten, das shnellste Fortbewegungsmitel. Heute litzen die Moskauer mit klap-
prigen Shigulis einheimisher Produktion oder einem importierten Porshe umher,
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