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gens um vier in einem Baumarkt Tapeten und Kleister einkaufen. Ih sehe darin
auh eine Kompensation für die Entbehrungen der Vergangenheit. Der marxis-
muskritishe Philosoph Nikolaj Berdjajew (1874-1948) hat shon früh und aus dem
Pariser Exil auf folgendes, letztlih für den Untergang des Kommunismus
entsheidende Paradox aufmerksam gemaht: »Nah dem Sieg des Materialismus
sind in Russland die Waren vershwunden«, shrieb er. Das ständige Deizit an
Konsumgütern unter den roten Zaren hat nun eine überbordende Freude am Über-
luss ausgelöst.
Zudem leben die meisten wohlhabenden Moskauer in dem Bewusstsein, dass der
Reihtum shnell wieder zerrinnen kann. Im Nahtclub Dolls war ih einmal Zeuge,
wie ein Herr mitleren Alters seiner shönen Begleiterin hintereinander vier
Flashen feinsten und teuersten Champagner bestellte. Die Dame trank immer ein
halbes Gläshen, verzog dann missbilligend das Gesiht, bis sie endlih mit der vier-
ten Flashe zufrieden war. Ih konnte niht anders, als den Herrn zu fragen, ob er
das denn niht für Vershwendung halte. »Sehen Sie«, erklärte er, »ih könnte mor-
gen shon tot sein.« Er arbeitete in der Ölbranhe und fürhtete um sein Leben. Das
war Mite der Neunzigerjahre, auf dem Höhepunkt der Verteilungskämpfe, die nah
der Privatisierung um die Filetstüke der russishen Wirtshat ausbrahen. Die
Moskauer Zeitungen waren voll mit Nahrihten von den jüngsten Autragsmorden,
und das gelügelte Wort, wonah man heute so lebt, als gäbe es kein Morgen, hate
für viele, die zur neuen Geldelite gehörten, eine ganz direkte Bedeutung.
Am gleihen Abend und im gleihen Etablissement wurden ih und mein Journ-
alistenfreund Martin Zeuge einer ilmreifen Szene. Während sih auf der Bühne ein
Mädhen nah dem anderen leiht bekleidet und lasziv um Eisenstangen räkelte,
ließen am Tish vor mir zwei Russen ein Mädhen nah dem anderen strippen. Für
hundert Dollar zogen die Tänzerinnen direkt am Tish ihr Oberteil aus. Einer der
beiden Männer winkte immer neue Mädhen heran, der andere warf mit beiden
Händen Dutzende Hundert-Dollar-Sheine in die Lut, die er aus einer Tüte her-
vorkramte. Bald drängte sih das ganze weiblihe Personal um den Tish, versuhte
die Dollarnoten aufzufangen, oder krabbelte halb nakt am Boden herum, um die
Sheine aufzulesen. In weniger als einer halben Stunde haten die beiden Männer
einige Tausend Dollar durhgebraht.
Nah dem Ende der Geldorgie ing ih ein Gespräh an. »Wir feiern bloß Igors
Geburtstag«, sagte derjenige von den beiden, der weniger betrunken war. Später
verrieten sie mir, dass sie ihr Geld mit dem Transfer und Verkauf von Autos aus
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