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Miguel de Unamuno -
ein Verbannter entdeckt
seine Liebe zur Insel
Das Jahr 1898 hatte die spanischen Intellektuellen aufgerüttelt.
Das „Imperium“ existierte nicht mehr, Kuba, Puerto Rico und die
Philippinen hatten das koloniale Joch abgestreift. Auch für Miguel
de Unamuno, damals 34 Jahre alt, stellte sich die Frage nach dem
Nationalbewusstsein neu, kritisch setzte er sich mit den Normen
der spanischen Gesellschaft, den verstaubten Doktrinen von Kir-
che und Staat auseinander. Er war Philosoph und Literat, schrieb
Essays und Gedichte, machte den Roman zum Raum existentieller
Reflexion.
Unter dem Militärregime Primo de Riveras, der sich 1923 mit
Hilfe von Großgrundbesitzern und Industriellen an die Macht
putschte, wurde jede Kritik zum Delikt. Als Unamuno gegenüber
einem argentinischen Freund seine Besorgnis über den Kurs der
neuen Regierung äußerte und dieser Brief ohne sein Wissen in ei-
ner Tageszeitung von Buenos Aires erschien, war es um seine
Laufbahn geschehen. Umgehend wurde er seines Amtes als Rek-
tor der Universität von Salamanca enthoben und auf unbestimmte
Zeit nach Fuerteventura verbannt - die Ödnis dieser abgelegen-
sten aller Inseln sollte ihn zur Vernunft bringen.
Am 12. März 1924 traf Miguel de Unamuno auf der Wüsteninsel
ein. Doch Verbannung bedeutete nicht Gefängnis. Frei konnte
sich der Denker auf der Insel bewegen, Kontakte knüpfen und so-
gar publizieren. Standesgemäß quartierte er sich im Hotel Fuerte-
ventura ein, wo er mehrere Zimmer mietete. Zusammen mit
Ramón Castañeyra, dem Enkel des früheren Bürgermeisters der
Stadt, organisierte er tertulias , muntere Diskussionsrunden zu Po-
litik und Philosophie. Jede Woche versorgte er Zeitungen in Ma-
drid, Buenos Aires und Las Palmas mit Artikeln und entwarf So-
nette für ein Buch, das er später unter dem Titel „Von Fuerteventu-
ra nach Paris“ publizierte. Seine Neugier entzündete sich an allem,
was er bei seinen Ausflügen sah und kennenlernte. Gern ritt er auf
einem der damals als Tragtiere verwendeten Kamele, fasziniert
von den kahlen, asketischen Bergen. Am „verbrannten Berg“, der
Montaña Quemada, so schrieb er seinem Freund, wollte er begra-
ben sein.
Vier Monate blieb Unamuno auf der Insel, dann trieb es ihn fort.
Mit Hilfe seines Sohnes, der ihm von Gran Canaria ein Boot
schickte, stach er in Caleta de Fustes in See und reiste über Las
Palmas nach Paris. Noch während er unterwegs war, erfuhr er,
dass Rivera die Verbannung aufgehoben hatte. Doch da dieser
nicht bereit war, ihm die Professur zurückzugeben, entschied sich
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