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Und er versäumt etwas, denn See-
räuberei und Kolonialhandel, aber
auch Fischerei und ozeanografische
Forschung haben dem im 16. Jh. erst-
malig mit einer langen Steinmole
befestigten Hafen ein markantes Profil
gegeben. Der Wohlstand der Reeder,
Händler, Juristen, aber auch der Pira-
ten-Kapitäne des 16., 17. und 18. Jh.
spiegelt sich wider in aufwendig ge-
bauten Granit-Häusern, deren Fassa-
den mit fantasievollen Steinmetzarbei-
ten dekoriert sind, wie z.B. in der Rue
Armand-Rousseau und am Place Laca-
zé-Duthiers nahe dem alten Hafen un-
weit der Kirche.
Das Gotteshaus Notre-Dame-de-
Kroaz-Batz ist allein schon die Anrei-
se wert, denn kaum eine andere breto-
nische Kirche besitzt einen so originell
gebauten Glockenturm. Auf fünf Eta-
gen verteilt, bilden nach oben hin im-
mer kleiner werdende, teils freistehen-
de Rundtürmchen eine luftige Einheit,
in der vier Glocken frei sichtbar den
Ton angeben. Finanziert wurde das
aufwendige Bauwerk aus dem frühen
16. Jh. von Kaufleuten und Korsaren,
deren gewinnbringende Caravellen, in
Stein gehauen, die Außenwände der
Kirche schmücken.
In der Rue Amiral-Réveillère am al-
ten Hafen befindet sich eines der be-
kanntesten Häuser der Stadt, das Mai-
son de Marie Stuart, von dem es
heißt, dass die Prinzessin im Alter von
sechs Jahren hier auf der Durchreise
übernachtet hat, bevor sie mit François
II. verlobt wurde. Leider bestätigen die
Stadtarchive die Existenz des Hauses
im Jahre 1548, dem Jahr der Verlo-
bung, nicht. Dennoch ist das fast fes-
tungsähnliche Gebäude mit seinem
von Arkaden umgebenen Innenhof se-
henswert.
Zu England hatte Roscoff schon im-
mer bessere Beziehungen als andere
bretonische Häfen, denn von hier aus
wurde das auf der Insel beliebte fran-
zösische Gemüse verschifft, insbeson-
dere Zwiebeln, Knoblauch und Arti-
schocken. Die Zwiebel war es schließ-
lich, die in den ersten drei Jahrzehnten
des 20. Jahrhunderts auch ärmeren
Roscoviten (so nennen sich die Ein-
wohner von Roscoff) ein Auskommen
ermöglichte. Eine neue Verkaufsme-
thode hatte sich durchgesetzt: Etwa
20 Zwiebelbauern taten sich jeweils
zusammen, charterten einen kleinen
Frachtensegler und brachten ihre in
England beliebten Knollen dort selbst
zum Endverbraucher. Die französi-
schen Zwiebelverkäufer, Johnnies ge-
nannt, zogen mit Fahrrädern, beladen
mit Zwiebelsäckchen, in südeng-
lischen Häfen von Portsmouth bis Pen-
zance von Haus zu Haus und strichen
so den Verdienst der Zwischenhändler
selbst ein. Gegen 1930 zogen so ca.
1300 Johnnies aus Roscoff und Umge-
bung in England von Tür zu Tür. Nach
einigen Jahren Verkaufserfahrung spra-
chen viele Johnnies so gut englisch,
dass sie im Handel zwischen Frank-
reich und England einträglichere Ge-
schäfte als den Verkauf an der Haustür
beginnen konnten.) Im Museum Mai-
son des Johnies et de l'oignon rosé,
48 rue Brizeux nahe der Chapelle
Saint Nicolas, Tel. 02.98.61.25.48,
wird die Geschichte des roscoviti-
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