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Der Kehrer von Ta Prohm
Er iel mir nur deshalb auf, weil er auf dem Cover meines »Lonely Planet« abgebildet
war. Ein alter Mann, der vornübergebeugt die lehmige Erde der Tempelruine Ta
Prohm von den ewig herabfallenden Blätern frei fegte. Sein Rüken war krumm, als
wäre er von den sih ständig wiederholenden Bewegungen geformt worden. Er hate
sih den Kopf rasiert, wie es trauernde Kambodshaner tun. Über seinem Shädel
spannte sih die dünne, von weißen Stoppeln übersäte Haut. Ih blikte vom Titel
meines Reiseführers auf den Alten und wieder zurük auf das Buh. Einen Moment
lang konnte ih niht glauben, dass es tatsählih der gleihe Mann war. Aber er trug
sogar das gleihe blaue Hemd und die gleihen zershlissenen Shorts wie auf dem
Foto. Auf dem Bild sah man ihn vor einem mit Baumwurzeln überwahsenen Torbo-
gen stehen, für einen kurzen Augenblik von seiner Arbeit aufblikend, um den Foto-
grafen anzuläheln.
Wenn man ein modernes Äquivalent zum griehishen Sisyphos suhte, dann
würde man es in diesem Mann inden. Die Tempelanlage Ta Prohm ist bei Touristen
außerordentlih beliebt, da sie bewusst so gelassen wurde, wie die französishen
Arhäologen sie im neunzehnten Jahrhundert vorfanden: vom Dshungel überwah-
sen. Sie liegt im Zwieliht unter einem Dah aus Blätern, in dem unsihtbare Vögel
shreien. Baumriesen haben die aus massiven Sandsteinblöken gebauten Wände und
Terrassen gesprengt. Ständig shweben vom grünen Dah neue vertroknete Bläter
herab und sammeln sih auf den Gehwegen, die für die Touristen freigehalten werden
müssen. Und ständig fegt der Mann sie wieder weg, mit asiatisher Geduld.
Ih shlih durh den Tempel und gab vor, mir die Reliefs, die Steinhaufen und die
Wurzeln des Dshungels anzusehen, welhe die Wände des Tempels mit der stillen
Gewalt einer hungrigen Würgeshlange umklammerten. Tatsählih betrahtete ih
den alten Mann. Wusste er von seiner Berühmtheit? Dass er für Millionen Lonely-
Planet-Leser zu einem Symbol für Kambodsha geworden war? Oder kehrte er tagein,
tagaus zwishen den Touristen, Blat für Blat, in unshuldiger Ignoranz seines
Ruhms?
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