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Die dünne Linie
Ih habe einen vietnamesishen Freund in Hanoi, der perfekt Deutsh spriht. Jedes
Mal, wenn ih in der Stadt bin, trefen wir uns in einem Café, und ih lasse mir Viet-
nam erklären. Das ist immer sehr lustig.
»Was, glaubst du, ist das beste Fah für einen Professor, um sih bestehen zu
lassen?«, fragt er. Es ist eine rhetorishe Frage.
»Hmmmm … ih weiß niht … Jura vielleiht?«
»uatsh«, sagt er. »Marxismus-Leninismus natürlih. Alle müssen das Fah bele-
gen, keiner will auh nur ein Wort davon hören.«
Wir lahen.
Nah einer kurzen Pause fügt er hinzu: »Wehrsport bringt natürlih auh viel
ein.« Um den Kampfgeist der Jugend zu erhalten, müssen Studenten an militärishen
Übungen teilnehmen. »Ih habe meine Tohter gerade davon freigekaut. Das arme
Mädhen ist shließlih ihr Leben lang in klimatisierten Wohnungen aufgewahsen.
Die holt sih doh den Tod, wenn sie in den nebeligen Bergen durh den Shlamm
kriehen muss.«
Mein Freund muss sih seinen Frust über die Betonköppigkeit der Behörden von
der Seele lästern. Während ih noh immer in meinen Kafee kihere, gibt er eine
weitere Anekdote aus dem noh-immer-kommunistishen Land zum Besten. So
arbeitet er zum Beispiel als Übersetzer für einen Verlag. Und natürlih wird jedes
Manuskript von einem Zensor begutahtet. Kaum zu glauben ist, was alles als der
Shere würdig erahtet wird. Einmal sollte ein Roman der österreihishen Shrits-
tellerin Maxie Wander übersetzt werden. Darin kommt ein Mann vor, der sih von
seiner Lebenspartnerin trennt und ihr nur eine Marx-Engels-Ausgabe hinterlässt.
»Musste raus«, sagt mein Freund ahselzukend. »Häte ja als Kritik am Kom-
munismus verstanden werden können - ein Kerl, der seine Frau sitzen lässt und
Marx gleih mit aus seinem Leben shmeißt.«
»Und was habt ihr stat Marx eingesetzt?«, frage ih.
»Keine Ahnung mehr … Trotzki vielleiht? Stalin wäre auh noh akzeptabel. Aber
Marx - auf keinen Fall!« Wir lahen wieder.
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