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angel, den endlosen Wartezeiten für Patienten und der Überbelegung von Kranken-
häusern wird seinem eigenen Anspruh shon lange niht mehr gereht. Und ein
Sozialsystem, das die Armen durhs Raster fallen lässt und für ein shnell wah-
sendes Prekariat sorgt, folgt auh niht mehr den Idealvorstellungen des folkhem;
die shwedishe Hartz-IV-Version heißt »Phase 3«. Beim hema Gleihberehtigung
oder der staatlihen Kinderversorgung kann Deutshland allerdings weiterhin ein-
iges lernen.
Was wir in Schweden suchen
Egal, ob Ost oder West und ungeahtet der politishen Weltlage: Auf den
Wartespuren vor den Fähren im Rostoker oder Stralsunder Hafen bildet sih sofort
eine eingeshworene Gemeinshat.
Wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, an Bord der shnellen, teuren TT-Line oder
der gemähliheren Scandlines gehen, die Sie entweder direkt nah Trelleborg oder
über Gedser und Helsingör nah Helsingborg bringen, dann haben Sie hofentlih
eine hermoskanne und eine Tupperdose mit Shnithen im Gepäk. Denn so stim-
men sih ehte Shwedenfahrer ein: kurzes Piknik in der Fährshlange, der letzte
Chek, ob Fahrrad, Surfbret oder Boot auh ordentlih verzurrt sind, dann ein
Plaush mit dem Nahbarn übers Reiseziel. Als stimme die Aussiht, bald unter
weniger Menshen und in einem Land ohne Zäune zu sein, milde, setzen auf diesen
Wartespuren eine Hilfsbereitshat und ein freundshatliher Umgang ein, der noh
Minuten vorher auf der deutshen Autobahn undenkbar war. Die Reise geht ja auh
in eines der am dünnsten besiedelten Länder des Kontinents. Auf einer Flähe von
der Größe Spaniens oder Frankreihs leben nur neuneinhalb Millionen Einwohner,
die meisten von ihnen im Süden. Shon wenige Hundert Kilometer weiter nördlih
kann man einen ganzen See, einen halben Wald oder eine Landshat mit Kirhe für
sih allein haben. Kein Drängeln, keine fremden Shweißtropfen auf dem eigenen
Handtuh, überhaupt wenig Shweiß, da die Lut, selbst wenn die Sonne sheint,
meistens angenehm kühl ist.
Wie vieles, was man im Leben neu und ganz für sih allein zu entdeken meint,
war allerdings auh die Shwedenbegeisterung shon vor einem da. Tuholsky hat
bereits in den Zwanzigerjahren festgestellt: »Es gibt kein deutshes Normalgehirn,
das bei dem Gedanken ›Shweden‹ andere als angenehme, freundlihe, gute
Gedanken häte.«
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