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»Sistema europeo«, shreibt der Shuster an sein Ladenfenster - »europäishes Sys-
tem«. Der Taxiring nennt sih »Eifel«. Der Haartransplanteur wirbt mit einer
»método canadiense«, einer »kanadishen Methode«. Und im Argentinien des
frühen 20 . Jahrhunderts mussten es Arhitekten aus Paris sein, die den Herrshaten
ihre Palais entwarfen, mit Dähern so steil wie an der Seine. Auh wenn der Shnee,
den die Däher in Paris ableiten sollen, hier nur alle 80 Jahre fällt. Mit seiner latein-
amerikanishen Nahbarshat will Argentinien nihts zu tun haben; das Land will
in einer anderen Liga spielen. Es sieht sih als Teil der ersten Welt, als Teil Europas.
Eine argentinishe Ballerina, die es an die Mailänder Scala geshaft hat, ist den
Zeitungen immer einen Aufmaher wert. Auh der Tango war für die argentinis-
he Oberklasse erst dann wirklih tanzbar, als er in Paris buhstäblih salonfähig
geworden war. Ein argentinisher Autor, der etwas auf sih hält, gibt seinem Buh
mindestens ein französishes Moto bei. Besser ist es, er hat das Buh in den Cafés
und Bars von Paris geshrieben. Und noh besser ist es, er shreibt davon, wie er das
Buh in den Cafés und Bars von Paris geshrieben hat. Der argentinishen Kunst und
auh ihrer Literatur wird daher gerne vorgeworfen, sie sei so artig, so gut erzogen wie
ein Shüler, der von der Bildungsreise nah Europa ganz viele Eindrüke mitgebraht
hat, die er nun aufs Korrekteste nahahmen will.
Ein Land also, das seinen Platz in der Welt niht wirklih gefunden hat. Ein Poten-
zprotz, der unglaublihe Angst hat vor der Impotenz: Das ist die andere Seite des su-
perlativismo argentino. Ein nationaler Minderwertigkeitskomplex also, der umso
weniger zu überhören ist, je lauter das Land »Argentina, Argentina!« brüllt. Und mit
seinen Superlativen protzt.
Die argentinishen Buhandlungen sind voll von masohistish-narzisstishen
Titeln wie: »Un país de novela« (»Ein Land wie aus dem Roman«) oder »El atroz
encanto de ser argentino« (»Das shreklihe Vergnügen, ein Argentinier zu sein«)
oder »El atroz encanto de ser argentino, II « (»Das shreklihe Vergnügen, ein Ar-
gentinier zu sein, II «) oder »Así se destroza un país: el error de ser argentino« (»So
zerstört man ein Land: Der Fehler, ein Argentinier zu sein«) oder »Por qué somos
como somos« (»Warum wir so sind, wie wir sind«). Büher, die regelmäßig die Best-
sellerlisten stürmen und von früh bis spät in Talkshows diskutiert werden. Das Land
liegt kollektiv bei sih selbst auf der Couh. Es misstraut sih selbst und analysiert
fortwährend seine Shwähen und Fehler. Es ist unglüklih in sih selbst verliebt.
So shreibt Tomás Eloy Martínez, der wohl größte argentinishe Shritsteller aus
der Generation der Enkel von Borges und Cortázar, und wie seine beiden literar-
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