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Meeresniveau, haben sie praktisherweise gleih drei Plazas nebeneinander angelegt:
den Platz der nationalen Gendarmerie; den des ersten Präfekten; und - eine gi-
gantishe Landkarte aus Betonplate - den zu Ehren des Malvinas-Krieges. Sparsam,
nühtern, nützlih ist hier die Arhitektur. Skelete aus Holz, drüber und drumherum
Wellbleh, steile Däher gegen den Shnee - so baut man hier Häuser. Angepinselt
in grellem Rot, Gelb, Blau, so ähnlih wie die Jaken der Kreuzfahrtouristen. Je
nahdem, aus welhem Farbpot das jeweils im Hafen liegende Shif gerade etwas
übrig hate. Ein Windfang oder eine verzierte Rosete im Dahgiebel: Das ist shon
Luxus hier, am Ende der Welt. Selbst die Kirhe, Nuestra Señora de la Merced, hat
so gar nihts von südamerikanishem Sakralpomp. Auh sie ein Wellblehbau, ein
sparsames, nühternes Goteshäushen. Wie eine Puritanerkirhe in Neuengland.
Das Shöne und das Musishe haben es shwer am Ende der Welt. »Es gibt hier
nihts, keine shönen Orte, kein Kino«, sagt Joaquin Cófreces, ein Radiomoderator
mit kahl rasiertem Shädel und verzoteltem Pullover am Leib. »Du verdienst hier
mehr als anderswo - aber dafür lebst du am Arsh der Welt.«
Bruce Chatwin hat das einst ähnlih empfunden, nur etwas drukreifer formuliert:
»Ih verließ Ushuaia, wie man einen Ort verlässt, an dem man niht begraben sein
möhte.« Cófreces ist ein Kulturmensh, einer der gerne Cortázar zitiert und Borges.
Er leidet unter Ushuaia, er leidet an der Gesihtslosigkeit dieser Stadt, ja von ganz
Feuerland: Es gibt keinen Dialekt, den man hier und nur hier sprähe; keine Lieder,
die man hier sänge. Kein Kohrezept, kein Fußballstar, keine Popband aus Feuer-
land, die man kennen würde auf dem continente, dem argentinishen Festland. Niht
mal Witze erzählt man sih über die Feuerländer. Ein Volk ohne Identität. Ushuaia
ist eine Art argentinishes Sibirien. 1884 als Strakolonie gegründet, hate die Stadt
eigentlih nur einen Zwek: da sein und die argentinishe Flagge hohhalten gegen
möglihe Expansionsgelüste der Chilenen. »Gobernar es poblar«, »Regieren heißt
bevölkern« - darum ging es. Shließlih ist Ushuaia der einzige Ort in Argentinien,
dem niht die Anden den verhassten hilenishen Nahbarn vom Leib halten.
Aus einem Gefängnis für Shwerstverbreher ist die Stadt einst entstanden, ein
Knast ist ihr Herz - auh er nur ein paar Shrite weit weg von der San Martín.
Ein grimmiges Bauwerk, mit einshühternd diken Mauern. Heute ist es ein Mu-
seum, das die Betreiber mit merkliher Lust am Grusel eingerihtet haben: links in
einer Zelle aus Fiberglas die Figur des »Telefonistenmörders«; und rehts, stehend,
mit ausgebreiteten Armen und irrsinnigem Blik, die Nahbildung von Mateo Banks,
»El Mítico«, einem anderen prominenten Insassen: Drei Brüdern, vier Shwäger-
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