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Tricksen, Lügen, Hochstapeln: Der Argentinier und
sein Nationalspiel - Truco
»In Argentinien gab es nie nur ein Gesetz. Das Gesetz und die Ausnahme sind hier
als Zwillinge geboren«, shreibt der linksliberale Journalist Jorge Lanata.
Man tut den Argentiniern wirklih niht unreht, wenn man die Behauptung aufstellt,
dass sie keine Shweizer sind. Um in der politishen Kultur Argentiniens zu überleben,
um in einer Gesellshat durhzukommen, in der sih die meisten Regeln andauernd
ändern und wo für diejenigen, die irgendwo einen Cousin oder Onkel sitzen haben,
andere Regeln gelten als für diejenigen ohne Onkel, in so einem Land jedenfalls kommt
man als braver, gesetzestreuer Bürger niht besonders weit. Weit kommt, wer gelernt
hat, dass zwei plus zwei zwar durhaus, unter gewissen Umständen, wenn sonst nihts
und niemand dagegenspriht, vier ergeben kann - aber auh fünf, neun oder fün-
fzehn. Weit kommt, kurzum, wer die Regeln des truco kennt. Jenes Kartenspieles, das
jedes Kind lernt, bevor es in die Shule kommt, und das noh die alten Opas spielen,
bevor ihnen die Demenz das letzte Fünkhen Verstand geraubt hat.
»Im Truco«, shreibt Lanata, »kann der Argentinier die Realität erinden oder
zurehtbiegen. El Truco ist das einzige Spiel, das dem Argentinier erlaubt, so in der
Welt zu sein, wie er sein will.« Fiktion und Realität vershwimmen im Truco. Sieger
wird niht der, der die besten Karten hat. Sondern der, der glaubt, er habe die besten
Karten, genauer gesagt: der die anderen glauben mahen kann, er habe die besten
Karten. Das Spiel hängt mehr vom Spieler ab als vom unabänderlihen Wert der Re-
geln und der Spielkarten. Der Bluf, die tollkühne Wete, die Lüge, das Täushen des
Gegners und die geheime Absprahe mit dem eigenen Mann, sie sind viel wihtiger
als die korrekte Anwendung der Regeln. Die Rationalität hat Pause beim Truco, sie
wird einfah ausgeklammert und muss der Fabel, dem Mut und der Illusion weihen.
Der Argentinier kann im Truco der objektiven, kartesianishen Realität niht nur eine
