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Blik zusammen und legt die Zahnreihe vorsihtig wieder auf die blaue Pappunter-
lage. »Er hate gute Zähne, das lässt sih shon mal sagen.«
Noh ist EZ 215 b ein namenloses Gerippe. Fondebrider hat es ausgraben lassen
auf einem Friedhof in der Hauptstadt und zusammenlegen lassen wie ein Puzzle. Ein
Puzzle aus waldpilzbraunen Menshenknohen: hier der Shädel, da die Hände, dort
das Beken. Aber wenn Fondebrider und seine Kollegen gute Arbeit leisten, dann
wissen sie bald mehr über den Menshen, der EZ 215 b war: seinen Namen, sein
Todesdatum, wie und wo er umgebraht wurde - und vielleiht sogar von wem.
Luis Fondebrider ist 41 Jahre alt, Enkel litauisher Einwanderer und ein Mann mit
traurigen braunen Augen. Er hat Mite der Ahtzigerjahre die argentinishe Vereini-
gung forensisher Anthropologen ( EAAF ) mitgegründet und leitet sie heute. Er und
seine Kollegen lesen aus Knohen Geshihte. Die Wissenshatler suhen nah Über-
resten jener, die die Shergen der Diktatur töten und in anonymen Gräbern vershar-
ren oder in den Río de la Plata werfen ließen. Damit die Angehörigen Gewissheit
bekommen über den Verbleib ihrer Liebsten. Damit die Verantwortlihen verurteilt
werden. Damit die historishe Wahrheit ans Liht kommt.
Die Avenida Rivadavia, von der die Porteños gerne behaupten, sie sei die längste
Straße der Welt, teilt Buenos Aires in Nord und Süd, in Reih und Arm. Eine Straße
mit Sanitätshandlungen, Eisenwarengeshäten, Apotheken. Einige Fenster sind mit
Zeitungspapier verklebt, man wartet auf neue Mieter. Ein Kellner balanciert ein Tab-
let voller Kafeetassen über den Bürgersteig. Eine Frau in abgewetztem weißem Kit-
tel misst Passanten den Blutdruk, 1 Peso pro Patient. Das ist die Gegenwart.
Die Vergangenheit wohnt in Nummer 2443 , einem shlanken weißen Haus. Über
die steil gewendelte Holztreppe geht es in den driten Stok, dort sitzt in einer Alt-
bauwohnung unter hohen Deken Luis Fondebrider.
Er sei damals in den Siebzigern, sagt er, zu jung gewesen, um von der Diktatur
viel mitzubekommen. Außerdem war das seine ein unpolitishes Elternhaus, »typis-
he Mitelklasse«. So studierte er Arhäologie, um sih mit fremden Welten und Kul-
turen zu beshätigen, ganz weit weg und ganz lange vorbei. Bis dann, Anfang 1984
war das, die ersten Rihter im demokratishen Argentinien Exhumierungen anord-
neten. »Da wurde mit Pressluthämmern und Bulldozern gearbeitet, man stopte
Knohen aus vershiedenen Gräbern in dieselben Plastiktüten - völlig unsystemat-
ish, völlig unwissenshatlih«, so Fondebrider. Man rief US -amerikanishe Anthro-
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