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ich dir diese Uhr schenken, damit du immer den richtigen Zeitpunkt für gute christliche Gebete und Ta-
ten erfahren kannst.“ Danngabermir die Schachtel indie Handundfügte nochhinzu: „Undwennduin
deinem weiteren Leben einen Rat brauchst, dann kommst du zu mir und ich werde dir ihn geben und dir
helfen, so weit ich kann.“
DanachgabermirdieHandundichbedanktemichauchrechtfreundlichfürdiesesdamalsfürFirmlinge
allgemein übliche Geschenk. Meine Großmutter und meine Schwester sagten gleichzeitig in neugieri-
gem Ton: „Nun pack sie doch aus.“ Zum Vorschein kam eine vergoldete Uhr der bekannten Firma Jung-
hans. Leider hatte ich nicht lange Freude daran. Als ich wieder nach Hause kam, nahm sie mir mein
Stiefvater gleich wieder weg und sagte, die schöne, teure Uhr sei viel zu schade für mich.
Während wir noch im Gasthaus zum Walfisch saßen, war ich in Gedanken schon bei all den auf mich
wartenden Vergnügungsfahrten des Wurstelpraters: Autodrom und Ringelspiel, Hutsche, Geisterbahn
und natürlich das Riesenrad. Auf all diesen verschiedenen Attraktionen fuhr ich so lange auf und ab und
rund herum, bis mir übel wurde. Zum Abschluss dieses Festtages ging es mit der Eisenbahn weiter nach
Petronell, wo wir bei der Freundin vom Göd - nachdem seine Frau nach fünfzig gemeinsamen Ehejah-
ren verstorben war, wurde sie seine Lebensgefährtin und später seine zweite Frau - noch eine Torte zu
essen und Himbeerkracherl, sprudelnde Limonade, zu trinken bekamen.
Es war ein wunderschöner, unvergesslicher Tag in meinem dreizehnten Lebensjahr.
Wenn wir flehen zu der schmerzensreichen Gottesmutter von Dreieichen
Allmählich rückte das Ende meiner Schulzeit immer näher. Ein angenehmes, beruhigendes Gefühl. Es
war weniger die Vorstellung, bald dem unliebsamen Unterricht und den Rutenhieben des Oberlehrers
Gedesberger entronnen zu sein, was mich mit Erleichterung und Vorfreude erfüllte, sondern vor allem
dieAussicht,innaherZukunftvonzuHauseweggehenzukönnen.Nichtmehrdenbeängstigenden,gro-
ben Worten, Blicken und beständigen Drohungen des Stiefvaters ausgesetzt sein, nicht mehr das kleine,
langgestreckte Hundertseelendorf meiner Kindheit als meine ganze Welt ansehen müssen. Schon früh-
zeitig habe ich mich im weiteren Umkreis um eine Lehrstelle bemüht; die direkte Nachbarschaft inter-
essierte mich nicht. Nur weg, fort von hier. In Horn, einer kleinen Stadt am Rande des Waldviertels, bin
ich fündig geworden.
Etwa fünf Kilometer von Horn entfernt liegt der Wallfahrtsort Maria Dreieichen mit seiner prachtvollen
Kirche, die 1957 zur Basilika erhoben wurde. Ich kannte diese Gnadenkirche nicht nur von dem Bild,
dasaufdasWeinglasdesTotengräbersRadlingeraufgemaltwar,ausdemermichmanchmalkostenließ,
wenn er leise schluchzend und fluchend bei sich im Weinkeller saß, sondern ich hatte Maria Dreieichen
schon einige Jahre vor Antritt meiner Lehre in Horn im Rahmen einer Wallfahrt auch selbst besucht.
Damals hatte die Caritas ein paar besonders bedürftige Familien ausgesucht und ihnen für die Autobus-
Wallfahrt am 15. August, dem Fest Mariä Aufnahme in den Himmel, die Fahrtkosten bezahlt. Meine
Mutterhatteheimlich -sodassesmeinStiefvaternichterfuhr -angefragt,obnocheinPlatzimBusfrei
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