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einemBesenkehren.SielagmithalbgeöffnetenAugenda,abundzuzumTischaufschauend,nachdem
Schweinefleisch schnuppernd.
Niemand in der Küche. Das Fleisch taut allmählich auf, wird an den Rändern weich. Die Nüstern der
Katze bewegen sich immer schneller, werden unruhiger. Sie hebt den Kopf, reckt sich. Mit einem Satz
ist sie auf dem Tisch und zerrt an dem angetauten Schweinebraten, versucht mit ihren scharfen Zähnen
ein Stück abzureißen. Der Stiefvater kommt, das rechte Bein nachziehend, in die Küche und sieht das
Fleischgezerre der Katze. Die Katze hat ebensolche Angst vor ihm wie ich. Mit gleichem, wenn nicht
nochgrößeremRecht.SchnellistsiezurückaufderBank,huschtunterdenweißlackiertenKüchentisch
und will in Windeseile durch die spaltbreit offene Küchentür hinaus in den Hof.
Doch diesmal ist der Stiefvater schneller. Er gibt der Küchentür einen raschen Stoß, so dass sie zu-
schlägt,bevordieKatzehinauswischenkann,drücktdiepanischeinenFluchtwegsuchendeKatzegegen
die Wand, greift sie am Katzenbuckelfell mit festem Griff. Alles Wehren, Kratzen und Beißen, verzwei-
felte Schreien, Fauchen und Miauen der Katze nützt nichts, er lässt sie nicht los. Mit der einen Hand die
Katze haltend sucht er in der Tischschublade nach dem schweren, hölzernen Fleischschlägel, mit dem
meine Mutter die Schnitzel klopft. Der Schlägel hat auf der einen Seite eine geriffelte Holzfläche und
auf der anderen Seite einen gezackten Eisenbeschlag.
In der rechten Hand die Katze und in der linken Hand den Schlägel geht er, mit dem rechten Ellenbogen
die Türklinke nach unten drückend und mit der Fußspitze die Küchentür wieder öffnend, leicht hinkend
durch den Hof in die Kammer mit dem Brotofen und der Selch, in der Großvater und Großmutter stief-
väterlicherseits aufgebahrt lagen, ehe sie vom Bestatter abgeholt wurden, um sie in dem Grab, das der
Totengräber Radlinger für je hundert Schilling ausgehoben hatte, zu beerdigen. In dieser Kammer, der
Totenkammer, drückt er mit wutverzerrtem, hasserfülltem Gesicht die Katze mit aller Kraft auf den Bo-
den und schlägt, wobei er die eisenbeschlagene Seite wählt, mit dem Schlägel auf Kopf, Rücken und
Füße der schreienden Katze, so lange, bis sie an Maul, Leib und Füßen blutet und nun keinen Laut mehr
von sich gibt. Jetzt nimmt er die reglose Katze am Fell und wirft sie in hohem Bogen durch die Tür auf
den Misthaufen vor dem Küchenfenster, wo sie, schön in der Mitte, tot liegen bleibt.
Als ich nach Hause kam, berichtete er mir mit siegessicherem, hämischem Lachen von seiner schweine-
bratenrettenden Heldentat. Mein unglückliches, schluchzendes Gesicht hat ihn nur umso kraftvoller in
seinem Triumph ob dieser Untat bestätigt.
OhneMirlvormSchlafengehen,ohneihrSchnurrengehört,siegestreicheltundgekraultzuhaben,konn-
te ich nicht einschlafen. Mit ihr konnte ich sogar sprechen, und sie, so fühlte ich, gab mir mit ihrem
unterschiedlichen Miauen Antworten, an denen ich genau erkennen konnte, ob sie ein Ja oder ein Nein
meinte, obsieeineFrage,einAngebotinOrdnungfandoderesablehnte. Diesevonmirsogeliebte Kat-
zewarnuntot.DerStiefvaterhattemichwiedereinmalmitVerachtunggestraft,hattemirerneutgezeigt,
welche Macht er über mich hatte.
Ein letztes Mal wollte ich Mirl sehen, wollte sie im Garten hinter dem Weinkeller neben dem großen
Kirschbaum begraben, von dem ich zusammen mit dem Sommerfrischler Claus die Spatzen mit Steinen
verjagt hatte, und so lief ich zum Misthaufen, um das tote Tier beim blutigen Fell zu packen und es zur
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