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Es legte sich wie feiner Zucker auf den reglosen Mann
DerFaschingsballundderFeuerwehrballwarenfürdieBauernindenWintermonatenwillkommeneAb-
wechslungen. Anfang Februar gab es im etwas baufälligen Gettsdorfer Pfarrsaal - wo auch die Theater-
aufführungen der Bauernstücke von Oberlehrer Gedesberger stattfanden, in denen Vroni Millinger im-
mer die Hauptrolle des guten, anständigen Mädchens zu spielen hatte - einen Faschingsball und Ende
des Monats den Feuerwehrball. Der Faschingsball bot für jedes Mädchen und jeden Burschen eine gute
Gelegenheit, diesem oder jener näherzukommen. Auch die älteren Bauern, die schon dreißig Jahre und
länger verheiratet waren, nutzten die Chance, mit dem einen oder anderen Mädel zu tanzen und sie im
Schutze der Unerkennbarkeit womöglich auch etwas inniger zu berühren. Dieses Erlebnis wollten sie
sichnicht entgehen lassen. Mitunter allerdings hatten sieauchdasPech,beiihrenVersuchen undErobe-
rungstouren verhängnisvollerweise auf die eigene Frau zu treffen und sich damit in mehrfacher Hinsicht
zu verraten.
FleißigundkunstvollwurdenwährendderkaltenMonatebereitsWochenzuvordieverschiedenstenKo-
stüme geschneidert. Die Verkleidungen waren in der Regel so raffiniert, dass die Träger einander nicht
erkannten - wenn nicht gerade die Ehemänner mit ihren eigenen Frauen auf Tuchfühlung gingen. Der
mittlerweile vierunddreißigjährige Peterka-Emil mit dem Traktor und den falschen Zähnen, von denen
ich niemandem erzählen durfte, versuchte, nachdem es mit der Pippinger-Maria nichts geworden war,
nunschonseitlängererZeit,dieBirnbauer-Herta,einesderhübschestenMädchenausdemNachbardorf,
für sich zu gewinnen. Der Ball war die beste Gelegenheit. Ehe sie bemerkte, wer er war, hatte er schon
versucht, sie zu küssen. Er selbst hatte sich ihre Gangart so eingeprägt, dass er sie schon aus weiter Ent-
fernung ausmachen konnte.
Auch erkannte er sie an ihren üppigen Brüsten. Wenn Erntezeit war und er wusste, dass sie mit dem
Traktor durch das Dorf fuhr, stellte er sich hinter das Eingangstor und wartete, um zu beobachten, wie
dasRüttelndesTraktorsihreschwerenBrüsteaufundabwogenließ.DocheswarennichtnurihreBrüs-
te, die die Herta so attraktiv machten - schließlich verfügte Hertas Vater über einen beachtlich großen
Hof, den seine Tochter einmal erben sollte. Bei allem Liebeslechzen sollte auch der wirtschaftliche
Aspekt nicht aus den Augen verloren werden. Leider jedoch machte sich die Birnbauer-Herta letztlich
nichtsausdemfrommen,fastbigottenEmilmitdemfalschenGebiss,undsoließersichschließlichvom
altenGriebingeradoptieren,indessenStubedasklebrigeLeimbandmitdentotenFliegenhing.Sehrviel
später, da hatte ich das Hundertseelendorf meiner Kindertage schon verlassen, hat er übrigens in einem
anderen Dorf dann doch noch auch die Braut gefunden.
DerFaschingsballwurdeimmerwilderundhitziger.DeretwasbaufälligePfarrsaalwarüberfülltmittan-
zenden Menschen. Die Risse im Gemäuer wurden immer breiter. Der Bretterboden des im ersten Stock
befindlichenSaalsknarzteundknackte,drohtedurchzubrechenundwomöglichdasganzeGebäudezum
Einsturz zu bringen. Als nun während des Festes tatsächlich eines der Bretter in der Mitte des Saals
brach und ein tanzendes Paar bis über die Knöchel durch das gesplitterte Holz sackte und erst vom dar-
unterliegenden Gemäuer gestoppt wurde, waren die bereitstehenden Feuerwehrmänner gezwungen, den
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