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eigentlichverabredet,einmalzutauschen,aberdannsagtederPater,dassdasnichtginge,dieProzession
würde dadurch gestört. Christus, so belehrte er mich mit feierlich-drohender Stimme, wobei seine linke
Hand stark zu zittern begann, habe ein sehr viel schwereres Kreuz ohne erleichternde Gurte getragen.
AndiesemprächtigenJunitagbranntedieSonnemitbesondererKraftherab.PaterGregorBologniahat-
te unter seinem heiligen Baldachin ein wenig Schatten und er trug nur die Monstranz, trotzdem liefen
auch ihm die Schweißtropfen über Stirn und Wangen, hinein in den weißen Kragen, und auf seinem rot-
goldenen Pluviale waren dunkelrote, schweißfeuchte Flecken und Ränder sichtbar.
Die Mädchen gingen in Zweierreihen hinter und neben mir, hatten ihre schönsten weißen Kleider aus
Seide, Taft und Leinen angezogen und sich bunte Blumenkränze auf das in der Sonne glänzende Haar
gelegt.InderlinkenHandhieltjedeeinWeidenkörbel,dasamRandrundherummitrotenMohnblumen,
blauen Kornblumen und weißen Margeriten besteckt war. Der Korb war gefüllt mit den Blütenblättern
weißer und roter Pfingstrosen, die sie im Gehen nach links und nach rechts verstreuten. Der Weg der
Fronleichnamsprozession wurde so zu einem breiten bunten Blütenteppich.
Vier Bauernburschen im Trachtenanzug trugen jeweils eine Stange mit einer Fahne, die mit einer rot-
und goldfarbigen Bordüre gesäumt war und an deren unterem Ende drei Hängel mit Quasten in gleicher
Farbehingen.AufdemmittlerenHängelderFahnewardergekreuzigteChristus,linksundrechtsdavon
Maria und Johannes abgebildet. Auf anderen Fahnen wiederum waren die heilige Katherina mit einem
zerbrochenen hölzernen Rad in der Hand und der heilige Hieronymus als Kardinal mit einem großmäh-
nigen Löwen zu seinen Füßen zu sehen. Es roch nach Weihrauch und nach den Birkenzweigen, die an
jedem Gartenzaun, an dem die Prozession vorbeikam, dicht nebeneinandersteckten.
Die alten Männer und Frauen, die nicht mehr gut gehen konnten, saßen mit frisch gebügelten Kopftü-
chern und umgebundenen Schürzen mit Blumenmuster vorm Haus, den Rosenkranz in der Hand, und
bekreuzigten sich beim Anblick des Pfarrers, als er ihnen die Monstranz zeigte, wobei er sie, in Kreuz-
form segnend, nach oben und nach unten bewegte. Vor jedem Haus war ein kleiner Altar aus grünen
StaudenundbuntenBlumenaufgebaut.ImmerwiedererklangendievierzusammenaneinemHaltegriff
befestigten himmlischen Glöcklein.
AuchunserHauspassiertedieProzession.AlsunserHundTreff,eintreuerSchäferhundmischling, mich
erblickte, lief er erst auf mich zu und dann gleich wieder weg, denn den Geruch von Weihrauch und das
laute Bimmeln mochte Treff nicht.
Nachdem die heilige Prozession vorüber war, setzte ich mich ans Ufer der Schmida, streckte meine
schmerzendenFüßeundHändezurLinderunginskühleWasserundbeobachtetezweigraugrüneKrebse,
wie sie einen Kampf ausfochten und mit ihren scharfen Scheren versuchten, sich gegenseitig die Beine
auszureißen.
Die Rückkehr des Oberlehrers Gedesberger
In unserem Hundertseelendorf wurden kleine Begebenheiten schnell zu einem Ereignis. Unser Lehrer
Gedesberger, der jeden Schüler für jeden Schreibfehler unter Zuhilfenahme einer Weidenrute mit großer
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