Travel Reference
In-Depth Information
IchmachteknienddreiKreuzzeichenaufStirn,MundundBrust,spracheinkurzesstillesGebet,„Gelobt
sei Jesus Christus“, und verließ die Kirche. Die Menschenmenge auf dem Platz vor der Kirche hatte
sich schon etwas zerstreut. Die meisten Männer hatten sich auf den Weg ins Wirtshaus oder nach Hause
gemacht und es standen vor allem noch einige Frauen mit Kopftüchern herum und andere mit modi-
schen Sommerhüten und festlichen Dirndln oder Trachtenkleidern. Der Schickler-Ferdl fragte mürrisch,
wo sein depperter Sohn sei. In der Kirche war er nicht mehr zu sehen, auf dem Kirchplatz auch nicht.
Schrille kurze Laute, die sich wie das Quietschen eines Frühlingsvogels anhörten, kamen indessen von
ganz oben am Kirchendach.
Am Ende des breiten Holzbalkens, der aus dem obersten runden Fenster zehn Meter waagrecht aus der
Kircheragte,standEmmerich,hobbeideHändeindieHöheundlachtemitseinemetwasschrägenMund
in dem flachen, tellerähnlichen Gesicht. Die Frauen erstarrten bei diesem Anblick und seinem Vater fiel
die glimmende Zigarette aus dem Mund. Er begann zu lallen und mit den Armen in der Luft herumzu-
fuchteln, stieß dabei kaum verständliche Laute aus, die sich in etwa anhörten wie: „Blöder Bub, komm
sofort runter, sonst bring i di um.“ Nach einer kurzen Weile schon hatte sich die auch weithin sichtbare
Neuigkeit herumgesprochen und alle bereits im Gehen begriffenen Bewohner der umliegenden Dörfer
machten nun kehrt, kamen wieder zurück und schauten die etwa fünfzehn Meter zu dem geistig behin-
dertenEmmerichhinauf,derlustiglachendversuchte,dieRolle,andereinSeilhing,überdasdieKübel
mit dem Mörtel hinauftransportiert wurden, mit der rechten Hand zu erreichen.
Inzwischen war auch Pater Gregor Bolognia vor der Kirche eingetroffen. Er hatte sich in der Sakristei
seiner Kasel und des Chorkleides entledigt und versuchte mit beiden zitternden Händen - die Linke
zitterte etwas mehr - seinen aus der schwarzen Soutane hängenden weißen Kragen wieder durch den
Schlitz unter den schwarzen Stoff zu stecken. Die alten Frauen mit ihren schwarzen Kitteln, krummen
RückenundgrauenKopftüchern,diesiewieeinenSchutzschirmweitüberdasGesichtzogen,reagierten
sogleich und holten, angeführt von der buckligen alten Peterka - der Großmutter vom Peterka-Emil mit
dem Traktor und den falschen Zähnen, aber ohne Braut - ihre Rosenkränze aus den Kitteltaschen und
fingen laut an zu beten, Gegrüßet seist du Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir , dabei schauten
sie nach oben zu Emmerich und zum Himmel über ihm. Ich betete laut mit und flehte den Herrgott an,
den Emmerich wieder vom Holzbalken zurück in das Loch kriechen und auf dem Gerüst die Leiter nach
unten steigen zu lassen. Bitte, lieber Herrgott, lass ihm nichts geschehen! Ich fühlte mich für Emmerich
verantwortlich, was meine Angst und Seelenqual nur noch steigerte. Ich hätte den immerfort „Kraxln,
kraxln!“ Rufenden vorhin in der Kirche bei der Hand nehmen und zu seinem mürrischen Vater zurück-
bringen sollen.
MittenimGemurmel derringsumversammelten BurschenundBauernhörteich,wieeinalterBauermit
rotem, aufgedunsenem Gesicht im grauen Altsteireranzug mit grünen Lampassen an den Hosenbeinen
zu seinem Nachbarn sagte: „Is eh net schad um den Depperten.“ Auf dem Kopf trug der aufgedunsene
Bauer einen grauen Steirerhut mit einem fülligen Gamsbart, der aufgrund seines breiten weißen „Reifs“
vorn an den Tierhaarspitzen in Wirklichkeit eigentlich ein Hirschbart war. Bei seinen abfälligen Worten
Search WWH ::




Custom Search