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Sie platzten mit gellendem Gequake
An den heißen Sommertagen verwandelte sich die Welt in ein großes Feld für Spiele allerlei Art. Die
Bauern waren auf den Äckern, und an solchen Tagen kam es manchmal vor, dass ich nicht mitkom-
menmusste.Dielanggestreckte,glühendheißeDorfstraßemenschenleer.Niemandweitundbreit.Keine
Menschenseele. Unweit die Schmida.
Das Flüsschen Schmida ist mir über die Jahre sehr vertraut geworden. Meine gute Freundin, die Dich-
terin Anna Weiß, schrieb in späteren Jahren, kurz vor ihrem Tod, eine Eloge auf diesen Fluss. Damals
bot die Schmida für meinen Freund Franz Huberka, den etwa drei Jahre älteren Heinz Miskowitsch, der
so wie Marcel, Sonja und Claus nur als Sommerfrischler im Ort war, und für mich ein großes Reservoir
an interessanten Entdeckungen und reizvollen Unternehmungen. Und gerade jetzt waren die Fahrräder
kaputt, die Franz und ich uns aus alten Einzelteilen selbst zusammengebastelt hatten; da bliebe nur das
neue Rad von Heinz, mit dem er aber niemand anderes fahren ließ. So konnten wir also nicht, wie zuvor
so oft, zusammen in die umliegenden Dörfer fahren und waren im Wesentlichen an unser langgestreck-
tes Hundertseelendorf gefesselt.
Erst gingen wir mit einer selbstgebauten Angel auf Abenteuersuche. Die Angel bestand aus einem Bir-
kenstab mit einer Schnur dran, am unteren Ende hatten wir aus einer Sicherheitsnadel, die ich aus dem
Nähkasten meiner Mutter gestohlen hatte, einen Haken gebastelt. Nach etwa einer halben Stunde hatte
noch immer keiner von den Weißfischen im kleinen Flüsschen angebissen.
Während unserer erfolglosen Angelversuche beobachteten wir die hüpfenden, quakenden, graugrünen,
schmutzig und glitschig wirkenden Kröten und Frösche, wie sie aus dem Wasser heraus und wieder zu-
rück sprangen. In einem Blechkübel haben wir schließlich etwa zwanzig dieser übelriechenden Lurche
eingefangen. Die Kröten und Frösche besprangen sich gegenseitig von vorn und von hinten, wobei die
Kröteriche und Froschmännchen alles umklammerten, egal ob Männchen, ob Weibchen. Zuerst wussten
wir nicht, was wir mit den ekelhaften Tieren machen sollten, bis uns die Idee kam, sie zu vergrößern.
Wir nahmen eine Fahrradpumpe, steckten den Kröten den Luftschlauch hinten oder auch in das Maul
hinein, hielten sie fest, damit sie nicht weghüpfen konnten, und pumpten sie auf, bis sie die Größe eines
übergroßen Tennisballs hatten. Nach ein paar Luftstößen mehr platzte die erste mit gellendem Gequake.
Meist gab es einen Riss im Bauch, was die Därme austrieb, worauf Blutverlust und Organversagen den
Tieren den Tod brachten.
Dieses grausame Spiel war ein Teufelsritt für uns. Nach kurzer Zeit beendeten wir unser widerwärtiges
Treiben, schütteten alle Frösche und Kröten, tot oder lebendig, zurück in ihr nasses Element und be-
schlossen, am nächsten Sonntag nach dem Gottesdienst beim Herrn Pfarrer Gregor Bolognia unsere
Tierquälerei zu beichten und die Buße zu verdoppeln. Wenn es ums Fröscheaufblasen ging, würde er
sich wohl nicht alles ganz genau erzählen lassen.
Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name und vergib uns unsere Schuld.
Dann suchten wir am Uferrand der Schmida flache, konvex geformte Steine zusammen, wie sie dort zu-
hauf zu finden waren, und warfen sie in gebückter, fast liegender Haltung möglichst flach auf die Was-
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