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„Wohin fährst du?“, fragten sie ihn. „Dat it meine Tate“, gab er laut undschwerverständlich zurück. Ob-
wohl er sie nicht leiden konnte, wollte er doch sein neues Rad herzeigen. Der eine, der mit der engen
Röhrlhose, nahm ihm das Rad weg und fuhr damit um die Kapelle herum, dabei bemerkte er, dass die
Rücktrittbremse nicht funktionierte. „Wieso geht deine hintere Bremse nicht?“, fragte er Adi. „Dat it
meine Tate“, antwortete Adi.
Die Burschen wollten heute ihre Gaudi mit dem Adi haben. Sie liefen die Straße hinunter, taten so, als
würden sie mit aller Kraft rennen, und heizten Adi an, indem sie riefen, sie seien schneller als er mit
seinem Rad. Adi wollte sich das nicht gefallen lassen. Schweißperlen rannen ihm von der Stirn und sein
neuesschönesweißesHemdwarbaldmitvielennassenSchweißfleckenübersät.ErtratmitWuchtindie
Pedale und fuhr so schnell wie möglich an den Buben vorbei. Als er ein enormes Tempo erreicht hatte,
steckte ihm der Rothaarige mit den vielen Sommersprossen im Gesicht und dem bösen, hinterhältigen
Lachen, das sich anhörte wie das Grunzen eines Schweins, einen der Holzstöcke, die sie bei sich hatten,
zwischen die Speichen des Vorderrades. Das Rad mit dem Adi überschlug sich und Adi stürzte, blutete
an Ellbogen und Kopf.
Er stand auf, nahm das stark verbogene Rad zwischen seine Beine, richtete es mit Berserkerkraft wieder
einigermaßen gerade, stieg trotz der Wunden wieder auf sein neues, nun etwas verbogenes Fahrrad, wo-
bei ihm das Blut von den Ellbogen über den Unterarm bis zur Lenkstange hinunterfloss, und fuhr, ohne
sich auf den Sattel zu setzen, in hohem Tempo weiter im Kreis um die Kapelle und die Buben herum.
Einer der Dorfbuben - der etwas Kleinere mit dem bereits starken Bartflaum an Oberlippe und Kinn;
mitseinempechschwarzenHaarunddenfunkelndendunklenAugensaherauswieeinZigeuner -nahm
wieder den Holzstock, steckte ihn dem vorbeifahrenden Adi jetzt zwischen die Speichen des Hinterra-
des, und Adi schlug erneut mit Gesicht und Körper seitwärts auf dem Boden auf. Diesmal war das Rad
nur leicht demoliert und Adi brachte es mit einem kurzen kräftigen Ruck wieder in Form.
Dieses böse Spiel reizen sie aus, das Gegröle und die Bösartigkeiten werden immer schrecklicher. Am
Anger entlang des Flusses treiben sie ihr Spiel, bis Adi wütend das Tempo so stark erhöht, dass sie nicht
mehr folgen können. In höllischer Geschwindigkeit rast er dicht am Ufer einher, rutscht mit dem Vor-
derrad ab, die Böschung hinunter. Wie nun das Wasser bedrohlich näher kommt, will er bremsen und
stemmt den Fuß ins Pedal, der Rücktritt geht aber nicht, das hat er vergessen. In seiner Verzweiflung
drückt er mit ganzer Kraft auf den an der rechten Seite der Lenkstange befestigten Hebel der Vorder-
bremse. Das Vorderrad blockiert, er überschlägt sich und fliegt mit voller Wucht in den Fluss; das Rad
auf ihn drauf.
Das Fahrrad sank immer tiefer in das träge dahinfließende Wasser hinab. Das Wasser verfärbte sich mit
rötlichen Schlieren.
Sie ballte die Hände und dankte dem barmherzigen Himmelvater
Auf das schwere Gewitter am Ende eines warmen, etwas schwülen Sommertages folgte starker, gussar-
tiger Regen. Georg, der vielleicht vierundzwanzigjährige ältere Sohn von Frau Millinger, stand, nur mit
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