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unten. Völlig sinn- und grundlos. Der Hahn zeigte Merkmale von Nervosität - ihm schwoll der Kamm
und verfärbte sich violett bis schwarz. Die Hühner gaben statt einem Ei täglich höchstens drei oder gar
nur zwei pro Woche.
Unterdessen schrie der Alte, so laut er konnte, aus seiner dunklen Kammer, die nur ein kleines Fenster
hatte, welches mit dünnen Holzverstrebungen wiederum in vier winzige Fensterchen unterteilt war; ei-
nes dieser Fensterchen war zersprungen und einige der Scherben waren herausgefallen. „Hallo, hallo!
Martha, Martha!“, schrie er, was sich anhörte wie ein Krächzen und Röcheln, wobei er zwischendurch
hustete und immer wieder an seiner die Beinstummel bedeckenden und ein gutes Stück über sie hinaus
baumelnden langen Unterhose zerrte. Seine Frau, gerade damit beschäftigt, ihre aufgestaute Wut an den
Hühnern oder einem anderen Menschen auszulassen, indem sie ihn beschimpfte, schlug, mit Mistgabel,
Schaufel, Sichel bedrohte oder ihm irgendetwas anderes Gemeines, Hinterhältiges antat, schrie wider-
willig: „Halt dei Pappen“, und warf, stand gerade die Tür offen, zugleich mit dem auf der Mistgabel
liegenden Mist auf ihn.
Eine Stunde später kam der mehr oder weniger dumme Sohn Ferdl angetrunken die Dorfstraße entlang-
stapfend aus dem Wirtshaus zurück, das er nach dem Kirchgang aufgesucht hatte. Wenn er betrunken
war,wurdeerleutselig,hattefürseinenalten,verkrüppeltenVaterinderKammerimmereinoffenesOhr
und redete mit ihm. Der Alte zeigte ihm seine völlig durchnässte lange, über seine Stümpfe baumelnde
Unterhose und versuchte sie sich vom Leib zu zerren.
Der Toilettenkübel war bis zum Rand voll, schwappte über. Schwappte seinem betrunkenen Sohn auf
die bis über die Knöchel reichenden Schnürschuhe und die kalkweiß unter der zu kurzen Hose hervor-
tretenden Schienbeine.
Wir lagen im kühlen Moos und schauten den Eichhörnchen zu
Die Dorfstraße war etwa dreihundert Meter lang. Linksseitig reihten sich die teils näher an die Straße
gebauten, teils zurückgesetzten Häuser und Höfe auf, mit knorrigen Holzbänken davor, wo abends die
Alten saßen, sowie kleinen Gärten, in denen von April bis Oktober prächtige, farbenfrohe Blumen blüh-
ten. Auf der rechten Seite dagegen befanden sich lediglich die kleine Kapelle in romanischem Stil, das
Gemeindehaus, unser Haus mit der Scheune sowie dahinter die Häuser der Sandigers und der Debrin-
gers.Dazwischen nochdasschmale, engeHausderbetrogenen undvonihrem Mannmit derBratpfanne
beworfenen Ehefrau, unserer unmittelbaren Nachbarin, sowie, hinter den Sandigers, das Haus der Hu-
berkas, wo mein Freund Franz mit seiner Mutter und seinen Geschwistern lebte. An ruhigen Tagen -
und ruhig waren die meisten Tage im Dorf - sowie bei günstigem Wind konnte ich manchmal das leise
Geplätscher des nahen Flüsschens Schmida und das Geschnatter der Enten hinter den Häusern auf der
rechten Seite hören.
Gegenüber von unserem Haus lagen das Millingerhaus, wo die Witwe Millinger mit ihrem Sohn Georg
und ihren Töchtern Vroni und Else wohnte (die zu zweit den alten Schickler aus seiner misslichen Lage
zwischen Bett und Sessel errettet hatten), sowie der Dorfladen vom Greißler Knötler, das große, neue
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