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Kirche, teilten dort die Brezel und dankten unserm Herrgott für diesen schönen Tag. Maria Dreieichen,
diese prachtvolle Kirche fünf Kilometer vor Horn, hat bei mir bis heute einen bleibenden, ehrfurchtge-
bietenden Eindruck hinterlassen.
Als mir die Lehrstelle im Hotel Goldenes Lamm in Horn in Aussicht gestellt wurde, gelobte ich mir
im Stillen, wenn ich diese Stelle auch wirklich erhielt, die mich endlich aus der Hölle meines Hundert-
seelendorfes herauszubringen versprach, gleich an meinem ersten freien Tag einen Ausflug von Horn
nach Maria Dreieichen zu machen, um zur Muttergottes zu beten und zu danken. Auch nahm ich mir
vor, dann sobald ich konnte, meiner Mutter Geld zu schicken.
Im September, nach Ende meines achten und letzten Volksschuljahres, so war vereinbart worden, sollte
ich nochmals persönlich in Horn vorstellig werden, um dann den Lehrvertrag in Schriftform zu besie-
geln. Meine Mutter war recht froh, dass ich über den Sommer noch blieb. In der Erntezeit stand viel
Arbeit an, die sie mit meinem Stiefvater allein nicht hätte bewältigen können.
Abschied
Es ist Anfang September, die Zeit zwischen Spätsommer und Herbstanfang. Der hellblaue Himmel be-
ginnt früher zu dämmern. Die schöne Sommerzeit, die ich stets barfuß, nur mit kurzer Hose und einem
dünnen Sommerhemd bekleidet, verbracht und genossen habe, ist vorbei. Schade - beim abendlichen
SpielmitFranzoderEmmainlinderlauerLuftwarendieschwereFeldarbeit,diebösenBlickedesStief-
vaters und die kratzenden Grannen der Gerste für kostbare Stunden vergessen.
Nun, im September, haben die sattgrünen Wiesen schon kaltes, am frühen Morgen manchmal feuchtes
Gras. Die wunderbaren Sommergemüse, wie Paradeiser, prall und vollrot, und Gurken, wie riesige Re-
genwürmer gebogen, und auch grüne Salate gibt es nicht mehr. Fast ein ganzes Jahr würden wir nun
wieder auf diese wundersamen Gottesgaben warten müssen. Am großen Kirschbaum auf der Anhöhe
über dem Weinkeller, dem Baum, unter dem ich die Katze Mirl hatte begraben wollen und in dem ich
einige Tage zuvor noch zwischen den dicken, hellgrau-glatten Ästen bis in die obersten Zweige geklet-
tert bin, um die süßen Früchte zu erhaschen, dabei die kleinen Stummel der vom Stiefvater abgesägten
Äste als Leiter benutzend, hängen nur noch ein paar vertrocknete, von den Staren angefressene Früchte.
Die eben noch tiefrot glänzenden herzförmigen Kirschen haben eine matte, faltige Haut bekommen und
aus den angepickten, trichterförmigen Stellen mit den schwarzen Rändern leuchtet zwischen dunkelro-
tem,nunrunzeligemFruchtfleischausderMittederhellgelbeKern.NurdiekleinenrotenÄpfel,diewir
Grisovska-Äpfel nannten und die wir bis Weihnachten im Keller aufbewahren konnten, lassen sich vom
unweigerlichen Sommerende nicht treiben noch hetzen; sie nehmen sich Zeit, wollen bis zu ihrer vollen
Reife noch warten lassen.
Auch das blauschwarze Schwalbenpaar, das für seine Jungen und für sich im Kuhstall zwischen dem
Plafond und dem vorderen Querbalken mit kleinen Lehmklumpen und viel Klebespeichel in mühevoller
Arbeit ein Haus gebaut und die Jungen nach dem Schlüpfen, Schnäbelchen für Schnäbelchen, unermüd-
lich gestopft und gefüttert hat, bis sie flügge wurden, sind vor einigen Tagen in ihre warme südliche
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