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Einkommenssteuer und der Unternehmenssteuer sowie eine von Arbeitgebern und
Gewerkschaften ausgehandelte Zurückhaltung bei den Löhnen. Nicht zuletzt die
technisch-naturwissenschaftlichen Zweige im höheren Bildungswesen profitierten von der
Integration der irischen Industrie in die Weltwirtschaft. Das Landschaftsbild der Insel veränderte
sich, weil die neuen Industrien standortunabhängiger waren, d.h. Fabriken in abgelegenen
Gebieten gebaut wurden, die steuerlich begünstigt waren und durch staatliche
Investitionsbeihilfen gefördert wurden. Überall in Irland entstanden Industrieparks mit zum Teil
50 oder mehr Firmen. Ihre Randlage erwies sich durchaus als Vorteil. Bald war vom «Celtic
tiger» die Rede.
Bergbau und Fischerei sind gegenüber diesen Industrien zwei genuin irische
Wirtschaftszweige. Irland besitzt bescheidene Vorkommen von Kupfer, Zink, Blei und sogar
Silber, und es hat keinen Mangel an vielfältigen Sorten von Fluss- und Meeresfischen. Infolge
der internationalen Entwicklung haben industriell erzeugte Waren in Irland die agrarischen wie
Fleisch- und Milchprodukte auf den zweiten Rang verwiesen. Agrarerzeugnisse besaßen um die
Wende zum 21. Jahrhundert nur noch einen Anteil von weniger als 15 %. Dadurch minderte sich
auch Irlands Abhängigkeit von der britischen Wirtschaft: Noch 1924 gingen 84 % aller irischen
Exporte nach Großbritannien, 50 Jahre später war es weniger als die Hälfte, während in den
1980er Jahren fast 80 % der Exporte in Länder der Europäischen Gemeinschaft geliefert wurden.
Welche Folgen die wirtschaftlichen Veränderungen der letzten 30-40 Jahre für die natürliche
Umwelt und Irlands wichtiges Fremdenverkehrsgewerbe haben, ist beim Blick auf die moderne
Hochleistungslandwirtschaft und große Viehzuchtbetriebe unschwer zu sehen.
Parallel zu diesen Entwicklungen verringerte sich die Einwanderungsquote der Iren in
Schottland und im Norden Englands. Der Wegfall antikatholischer Diskriminierung hätte die
Zahl der irischen Immigranten in diesen Teilen Großbritanniens ansteigen lassen können, aber sie
pendelte sich bei ungefähr 720.000 ein. Darunter waren nicht mehr allein Fabrik- und
Landarbeiter wie noch im 19. Jahrhundert, sondern schon seit den 1960er Jahren Ärzte, Lehrer
und Beamte im öffentlichen Dienst. Parteipolitisch tendierte die Mehrheit von ihnen zu den
Liberalen oder zur Labour Party, also zu einer Politik, die in Irland selbst bis in die jüngere
Vergangenheit ungeachtet einer aktiven Gewerkschaftsbewegung vergleichsweise schwach
vertreten ist. Seit dem Amerikanischen Bürgerkrieg hatten sich die Iren als ein tragendes Element
der Gesellschaft der USA etabliert. Zusammen mit den südeuropäischen Einwanderern
dominierten sie den amerikanischen Katholizismus und gelangten zügig in angesehenere Berufe,
als sie in der Heimat ausgeübt hatten. Wie stark amerikanische und irische Politik miteinander
verzahnt wurden, lässt sich an dem Einfluss ablesen, den die irisch-amerikanische
Fenierbewegung unter dem Namen «Clanna-Gael» auf den Osteraufstand 1916, auf die Irish
Republican Brotherhood und die Entwicklung des Freistaats unter de Valera hatte. Dass die
Republikaner im Nordirlandkonflikt mit amerikanischem Geld unterstützt wurden, war bald nach
1969 ein offenes Geheimnis. Das Irish Northern Aid Committee finanzierte mit großen, in den
USA gespendeten Summen Sprengstoffe und Maschinengewehre der Provisional IRA. Das
Gleiche tat die iroamerikanische Spendensammelvereinigung Noraid. Selbst warnende Stimmen
einflussreicher Amerikaner irischer Herkunft wie z.B. der Senatoren Edward Kennedy und
Patrick Moynihan konnten dies nicht verhindern.
International hatte Irland sich zu diesem Zeitpunkt aus der Fixierung auf Großbritannien
zu lösen versucht. Dafür waren die Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen (1955) und in der
Europäischen Gemeinschaft (1973) zwei wichtige Schritte. Für den zeitlich mit dem Ölschock
zusammenfallenden EG-Beitritt hatten 83 % der Bevölkerung votiert. Als sechs Jahre danach
eine zweite Ölkrise das Wachstum der Weltwirtschaft erheblich bedrohte, hätte die extreme
Staatsverschuldung Irlands mit seinen gefährlich hohen Auslandsschulden ohne europäische
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