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Sands, einer der prominentesten Häftlinge in der Belfaster Strafanstalt Maze, nach 66 Tagen
Hungerstreik im Mai 1981 starb, kam es im ganzen Land zu massiven Ausschreitungen, und auf
britische Immobilien in kontinentaleuropäischen Städten wurden Bombenanschläge verübt.
Die nordirische Bevölkerung, durch unzählige zivile Opfer im besten Fall indifferent
geworden, änderte infolge der Hungerstreiks ihre Einstellung zur IRA, und Sinn Féin etablierte
sich als radikal-republikanische Vertretung der katholischen Minderheit. Obwohl Margaret
Thatcher während des Parteitags der Konservativen Partei in Brighton im Oktober 1984 nur
knapp einem IRA-Attentat entging, blieb sie bei ihrer Politik, die Republik Irland intensiver in
den Verhandlungsprozess zu integrieren. Das Anglo-Irish Agreement von Hillsborough aus dem
Jahr 1985, mit dem die Einrichtung einer ständigen Sicherheitskonferenz zwischen London und
Dublin vereinbart wurde, war dabei der wichtigste Schritt. Dringlich strebten die Briten eine
politische Lösung an, zumal Nordirland wirtschaftlich ohnehin längst ein reines Zuschussgeschäft
geworden war. Die IRA ließ sich indessen nicht beirren. Immer wieder verübte sie Anschläge mit
vielen Toten aus. Offenkundig kaufte sie ihre Waffen vom libyschen Diktator Gaddafi.
Aber auch die Unionisten bewegten sich nicht. Ian Paisleys berühmter Schwur «Never,
never, never» stammt aus dieser Zeit: Erstens sollten Katholiken in Ulster keinesfalls politisch
mitsprechen dürfen; zweitens könne es niemals eine Wiedervereinigung von Republik und
Nordirland geben; drittens dürfe es zu keinen Verhandlungen mit den Terroristen der IRA
kommen. Als Chef der Democratic Ulster Party und Führer der von ihm gegründeten Freien
Presbyterianischen Kirche von Ulster verkörperte Paisley den verhärteten Standpunkt absoluter
Unnachgiebigkeit. In seinen Augen war der Papst ein «Anti-Christ», selbst die moderaten
Vermittlungsbemühungen des britischen Premierministers John Major verunglimpfte er.
Doch letztlich sollte diese Position Paisleys und seiner Zeitgenossen, die in den 30 Jahren
Bürgerkrieg seit 1969 bei 16.200 Bombenanschlägen für über 3500 Todesopfer und 47.000
Verletzte mitverantwortlich wurde, sich leerlaufen. 1998 mündete der lang ersehnte und mühsam
errungene Friedensprozess in das Karfreitagsabkommen zwischen den gemäßigten Unionisten
unter David Trimble und den gemäßigten Nationalisten unter John Hume. Dafür erhielten beide
gemeinsam den Friedensnobelpreis.
Vorbereitet wurde der Friedensprozess - durch die Beteiligung des amerikanischen
Präsidenten Bill Clinton längst internationalisiert - in vielen kleinen Schritten. In der Folge
schwor die IRA, die bisher stets nur zu einem Waffenstillstand, aber nicht zu einer Übergabe
ihrer Waffen bereit gewesen war, im Jahr 2005 dem Terrorismus ab. In Nordirland hatte sich
nach Jahrzehnten der Straßenschlachten, Bombenanschläge und Morde eine allgemeine
Erschöpfung breitgemacht. Über 1000 teils katholische, teils protestantische Attentäter sollten
laut Friedensabkommen in den Genuss einer Amnestie kommen.
Bei einer Volksabstimmung 1998 sprachen sich in der Irischen Republik 94 % für den
Frieden aus, woran sich seitdem kaum etwas geändert haben dürfte. Vor allem nach den
Anschlägen in New York und Washington am 11.September 2001 wurde der Terrorismus
weltweit geächtet, und niemand konnte mehr erwarten, dass terroristische Gewalt Sympathien
gewinnen würde, ob innerhalb oder außerhalb Nordirlands. Fast revolutionär mutete es an, dass
Paisley sich mit Martin MacGuinness von den irischen Republikanern und mit Gerry Adams als
Vorsitzendem von Sinn Féin im Frühjahr 2007 zu Gesprächen bereiterklärte. Im selben Jahr
wurde die politische Autonomie Nordirlands, die 2002 temporär ausgesetzt worden war, wieder
eingeführt. Ebenso große Symbolkraft besaß der viertägige Staatsbesuch Königin Elisabeths II. in
Irland im Mai 2011. Gemeinsam mit der irischen Staatspräsidentin Mary McAleese legte die
Königin an der Gedenkstätte für die irischen Toten des Ersten Weltkriegs und im «Garten der
Erinnerung» jeweils einen Kranz nieder. Stärkere Gesten der Versöhnung hat es von der
britischen Monarchie selten gegeben.
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