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mit militärischen Mitteln zu vereinigen. Die Gewalt auf der Straße und durch Autobomben, die
sich bald zu einem dichten Netzwerk republikanischen Terrorismus entwickelte, wurde nicht nur
zu einem Problem Nordirlands, sondern erreichte auch London, britische Kasernen sowie Pubs in
Guildford und Birmingham.
Angesichts der Hilflosigkeit und Parteilichkeit der nordirischen Polizei, die sich im
August 1969 in der «Battle of the Bogside» offenbarte, schickte die britische Regierung
Einheiten der Armee. Diese trennten die feindlichen Parteien, errichteten Stacheldrähte oder
Mauern in den besonders brisanten Straßenzügen, ließen jedoch auch zu, dass sogenannte
No-go-Areas entstanden: Stadtbezirke im Kriegszustand. An einem der Höhepunkte des
gesamten Nordirlandkonflikts, dem 30. Januar 1972, tötete ein britisches Fallschirmregiment 13
unbewaffnete Demonstranten. Dieser als «Bloody Sunday» in die nordirische Geschichte
eingegangene Tag hatte ein stärkeres Engagement der britischen Regierung in Ulster bis hin zur
Direktverwaltung der Provinz (Direct Rule) und die Gründung paramilitärischer protestantischer
Organisationen wie der Ulster Defence Association und der Ulster Volunteer Force zur Folge.
Eine weitere Konsequenz war, dass sich die katholische Jugend militarisierte und mit der IRA
einließ. So wenig die Polizei Katholiken und Protestanten voreinander schützen konnte, so wenig
übte die nordirische Selbstverwaltung politische Kontrolle über das Pulverfass aus. 1983 sollte
die Popgruppe U2, neben Bob Geldof und Chris de Burgh ein wichtiger Exporteur irischer
Kultur, in ihrem Song Sunday Bloody Sunday die Ereignisse zum Thema machen. Ein
Untersuchungsausschuss zum Bloody Sunday, der zwölf Jahre lang arbeitete und 200 Millionen
Pfund kostete, kam im Juni 2010 im Saville Report zu dem Ergebnis eines seinerzeit fehlerhaften
Verhaltens der britischen Soldaten. Dafür entschuldigte sich Premierminister David Cameron im
selben Monat im britischen Unterhaus.
Die Briten, viel zu lange in diesem Konflikt passiv geblieben, entschieden sich 1972 für
die direkte Herrschaft über Ulster. Premierminister Edward Heath ernannte einen
Nordirlandminister und entmachtete das Belfaster Parlament: für die Nationalisten ein
kurzfristiger Triumph, für die Loyalisten eine schmachvolle Niederlage. Nordirland geriet nun in
eine neue Spirale von Gewalt und repressiver Gegengewalt, der Ausnahmezustand wurde
alltägliche Normalität. Die sektiererischen Gewalttätigkeiten nahmen zwischen 1972 und 1976
mit über 1120 Todesopfern unter Zivilisten noch zu - und auch die politische Desillusionierung
wuchs. Bestrebungen, die verschiedenen Parteien wie die Official Unionists und die Social
Democratic and Labour Party an einen Verhandlungstisch zu bringen, scheiterten immer wieder.
Auch die Versuche, einen Friedensplan zu entwerfen und einen Waffenstillstand zu erwirken, an
denen die nordirischen Parteien und die Londoner und Dubliner Regierungen beteiligt werden
sollten, standen unter keinem guten Stern, solange die britische Justiz Fehlurteile traf wie im
Prozess gegen die «Birmingham Six». Dieser Gruppe irischer Verdächtiger wurde ein Anschlag
vom Herbst 1974 mit 21 Toten vorgeworfen. Weil ihre Geständnisse nachweislich erpresst
worden waren, kamen sie 1991 wieder frei.
Auch die «Ulsterisierung» war nur bedingt erfolgreich: Nordirland sollte selber für seine
Sicherheit sorgen, die britische Armee im Hintergrund agieren und gezielt Terroranschläge
verhindern. Das gelang nicht. Die Regierung Thatcher war noch nicht lange im Amt, da
erschütterten IRA-Anschläge wie der im August 1979 auf Earl Mountbatten, ein Mitglied der
königlichen Familie, die Öffentlichkeit. Währenddessen konzentrierte sich Sinn Féin auf das Ziel
eines vereinten, sozialistischen und gälischen Irlands. Nicht säkularisiert, aber auch nicht mehr
dezidiert katholisch, suchten die Partei wie die Bewegung hinter ihr, die Aufmerksamkeit der
Weltöffentlichkeit zu erlangen. Aktionen wie Hungerstreiks und das Beharren darauf, dass
IRA-Gefangene den Sonderstatus von politischen Häftlingen erhielten und nicht wie gewöhnliche
Kriminelle zu behandeln seien, sorgten für weltweite Sympathiekundgebungen. Als Bobby
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