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Die Zeit, in der die Gewalt in Irland eskalierte, verdichtete sich zwischen Erstem
Weltkrieg und der Gründung des Irischen Freistaats 1922. In den vier Kriegsjahren folgten fast
200.000 irische Männer, darunter auch Immigranten in England und im Empire, freiwillig dem
Ruf der englischen Krone. Ungefähr 40.000 fielen im Krieg. Vor 1916 dienten etwa 3,7 %,
danach nur noch 1,7 % der Gesamtbevölkerung, weil die Einberufung zum Militärdienst nur
Briten verpflichtete. Den größten Anteil machten Katholiken aus, was nicht religiöse, sondern
sozioökonomische Gründe hatte. Auch wer auf der Insel blieb, konnte finanziell vom Krieg
profitieren, so vor allem die Großbauern im Südosten. Ihre Preise für landwirtschaftliche
Produkte verdoppelten sich während des Krieges, und auf dem britischen Markt hatten sie keine
europäische, besonders keine deutsche Konkurrenz mehr zu befürchten.
Der «Große Krieg» trug allerdings nicht zu einer euphorischen Solidarität mit den
Engländern bei. Die Führer der Ulster Unionists, Edward Carson und James Craig, stellten zwar
eine eigene Division auf, und auch die Irish Parliamentary Party unter John Redmond unterstützte
die Briten mit Freiwilligen. Andererseits bot Roger Casement dem Deutschen Reich eine irische
Brigade an. Der ehemalige britische Konsul im Kongo und dortige Chefankläger des belgischen
Königs Leopold war an dem Versuch beteiligt, ein deutsches U-Boot nach Dublin
einzuschleusen. Vom Kaiser erhoffte er sich mehr Unterstützung für die Sache der irischen
Unabhängigkeit als von Amerika. Casement besaß intime Kenntnisse der global verstreuten
Krisengebiete, in denen gegen die Kolonialmacht gekämpft wurde. Wie Mary Kingsley, Emily
Hobhouse, Keir Hardie und andere Vertreter der internationalen humanitären Bewegung seiner
Zeit sah auch Casement Irlands Fall im internationalen Licht. Bei Intellektuellen im Umkreis von
Yeats, so etwa bei Maud Gonne und Constance Markiewicz, drückte sich eine romantische
Verklärung Irlands sowie die Idealisierung der Feinde des Britischen Empires auch in ihrer
Germanophilie aus.
Für dieses Irland ließen 64 Rebellen während der Niederschlagung des Osteraufstands
1916 ihr Leben; 15 wurden im Anschluss hingerichtet. Am 24. April 1916, dem Ostermontag des
Jahres, wurde das Dubliner Hauptpostamt von 1558 Irish Volunteers und einer kleinen
Bürgerarmee aus 219 Soldaten unter Anführung des Schriftstellers Patrick Pearse und des
Sozialistenführers James Connolly als ihr Hauptquartier eingenommen. Bereits sechs Tage
später, nach dem Tod von 318 Zivilisten und 132 Soldaten, war der Osteraufstand
niedergeschlagen. Die Rebellen, unter denen sich neben Volunteers Mitglieder der Irish
Republican Brotherhood, Sinn Féins und der Gaelic League befanden, sprachen nicht mit
geeinter republikanischer Stimme. Sie agierten vielmehr fragmentarisch und konnten nur auf
schwache Sympathien in der Öffentlichkeit bauen. Ihr Plan einer nationalen Erhebung ging daher
nicht auf. Vor dem Postamt verkündete Pearse die Irische Republik als souveränen,
unabhängigen Staat, mit dem die Nation die Union überwinden solle. Öffentliche Plätze und
Gebäude, Brücken und Fabriken wurden kurzzeitig heftig umkämpft. Wie so oft bei kriegerischer
Gewalt waren vornehmlich die Zivilisten die Leidtragenden. Eine stark zerstörte Dubliner
Innenstadt, Plünderungen, 3500 willkürliche Verhaftungen landesweit und die Verhängung des
Kriegsrechts gehörten zur traurigen Bilanz. Im Ergebnis hatten die Briten Irland wie eine
abtrünnige Kolonie abgestraft und wahllos Konspiration auch dort unterstellt, wo man wie im
Westen von Connacht lediglich gälische Kulturtraditionen pflegte.
Als Folge driftete Irland in eine politische Sackgasse. Weder waren die Anglisierung und
die Union aufgehoben, noch wurde einem anglo-irischen Ausgleich, der sich durch die moderate
Home-Rule-Gesetzgebung seit 1912 abzuzeichnen begonnen hatte, eine Chance gegeben. Auch
war der elitäre Reformkonstitutionalismus im anbrechenden Medienzeitalter der Öffentlichkeit
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