Travel Reference
In-Depth Information
der Buren kämpften, bedeuteten nicht, dass sie sich nicht anderswo für das Empire engagierten.
Der südafrikanische Politiker Jan Christian Smuts z.B. war allerdings fest davon überzeugt, dass
es im ureigensten Interesse der Siedlerkolonien wie auch Großbritanniens liege, mittelfristig in
ein Commonwealth überführt zu werden. Die irische Wunde, meinte Smuts 1919, vergifte die
globale Pax Britannica. Anfang des 20. Jahrhunderts war Südafrika ein loyaler Partner der Briten
geworden, etwas, was andere sich auch von Irland erhofften. 1882, 1886, 1887 und 1903
unterbreitete das kanadische Unterhaus der Londoner Regierung Vorschläge, wie eine moderate
Home Rule nach kanadischem Vorbild in Irland realisierbar sei. Ähnliches taten die Australier im
Jahr 1906. Doch waren dies Perspektiven kolonialer Siedlergesellschaften, die die extremen
Nationalisten Irlands, ähnlich denen Indiens, nicht teilten, weil sie glaubten, ihre Nation sei
weiterhin vorwiegend fremdbestimmt. Als sich im Sommer 1900 antikoloniale Verbände aus
dem gesamten Empire in London zur ersten Pan-Afrikanischen Konferenz versammelten, war die
Irish National League besonders prominent vertreten.
Zur gleichen Zeit hatten Iren zahlreiche Aufgaben und Positionen im Britischen Weltreich
inne, so z.B. im christlichen Missionsdienst, im Schuldienst, als Kaufleute, im Militär oder in der
Administration. Sport, namentlich Golf, Kricket und Hockey, diente ihrer imperialen
Sozialisation und dem Export britischer Traditionen. Schon 1854 war im Trinity College Dublin
der zweitälteste Rugbyverein der Welt entstanden. In den 1890er Jahren wurden sieben von acht
Provinzen Indiens von irischen Statthaltern verwaltet. In der dortigen Armee lag zeitweilig das
Kommando ganz in irischer Hand, während ihre Regimenter fast ausschließlich aus katholischen
Arbeitern bestanden. Spitzenpositionen eroberte sich der protestantische Kleinadel, der im
Britischen Empire noch den sozialen Respekt genoss, den er in Irland nicht mehr besaß.
Entgegen allen Stereotypen traten auch zahlreiche Katholiken in den angesehenen
indischen Staatsdienst ein. Der aus der Grafschaft Mayo stammende Antony MacDonnell z.B.,
der 1885 ein Gesetz zum Schutz bengalischer Bauern erwirkte, gelangte in die Stellung des
Generalgouverneurs der United Provinces in Indien und regierte damit über eine Bevölkerung
von 40 Millionen Menschen. Mit gleichem Erfolg machte sich MacDonnell, der Irland noch nicht
reif für Home Rule hielt, an das irische Landgesetz von 1903, mit dem mittelfristig der
Landbesitz auf die Pächter übergehen sollte.
Manchen irischen Geschäftsleuten erschloss sich bereits um 1880 ein globaler Markt
jenseits der Grenzen des britischen Weltreichs. Straßennamen in Belfast geben davon Zeugnis.
Die Kitchener Street und die Kashmir Road erinnern an das Empire, die Kansas Avenue aber
öffnet den Blick über den Atlantik. Dagegen ist in Dublin die imperiale Vergangenheit heute
verständlicherweise nur gebrochen präsent. Statuen von Königin Viktoria und von Lord Nelson
wurden gesprengt. Schließlich diente Irland in vielerlei Hinsicht als Versuchsfeld für die
imperiale Zivilisierungsmission Großbritanniens. Umgekehrt meinte der Vizekönig von Indien
Lord Dufferin, zu seiner Zeit habe der indische National Congress aus den Erfahrungen
O'Connells und Parnells gelernt. In seinen Erinnerungen beschrieb Jawaharlal Nehru, der erste
Premierminister des unabhängigen Indien, wie er als Student in England vor 1914 auch Irland
besuchte und von den frühen Anfängen der Partei Sinn Féin («Wir selbst») begeistert war.
Loyalisten wie die nordirischen Unionisten, die sich im Frühjahr 1912, von Winston Churchill
angeregt, zu großen Anti-Home-Rule-Demonstrationen in Belfast zusammenfanden, inspirierten
ihrerseits den Widerstand der weißen Siedler gegen das Unabhängigkeitsstreben von Rhodesien
und Kenia.
Zwischen Krieg und Revolution
Search WWH ::




Custom Search