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Union im Wesentlichen auf politischer Ebene und nicht an der Basis ausgetragen. England war
als mächtiger Arbeitgeber zwar nicht willkommen, aber unentbehrlich.
In Ulster hatte sich mit dem wirtschaftlichen Erfolg und Wohlstand ein Widerwillen
gegen jedwede Form eines Ausgleichs zwischen Großbritannien und dem katholischen Irland
entwickelt. Die Ascendancy Nordirlands war schon traditionell gegen die Trennung von Staat
und Kirche und gegen die Landreformen gewesen. Aber ihr Misstrauen wuchs mit jedem Tag, an
dem Arbeitslosigkeit und Armut sich zu Merkmalen des Südens verfestigten. Das Bürgertum und
die Werftarbeiter von Belfast empfanden die Katholiken als Rivalen - auf dem Arbeits- und
Wohnungsmarkt, im politischen Diskurs und im Ringen um die öffentliche Meinung. Wann
immer das Thema Home Rule zwischen 1886 und 1912 das politische Tagesgeschäft dominierte,
organisierten sich die Unionisten als militante Orangemen. Ihr Ziel, die Vormachtstellung des
Protestantismus in Nordirland aufrechtzuerhalten, unterstrich der Orange Order, ein nach dem
Vorbild der Freimaurer 1795 gegründeter Geheimbund. Seine Farbe und der Gedenktag des
12. Juli, an dem man der gewonnenen Schlachten Wilhelms von Oranien an der Boyne und bei
Aughrim (1690 und 1691) gedachte, waren unmissverständliche Botschaften von einer nicht
länger verhandelbaren Lebenswirklichkeit.
Die Fronten zwischen Norden und Süden verhärteten sich, weil das Sektierertum
institutionalisiert wurde. Auf unionistischer Seite entstanden Organisationen wie die Irish
Unionist Alliance (1891) und der Ulster Unionist Council (1905). Als paramilitärische
Organisation etablierte sich die Ulster Volunteer Force, die im Januar 1913 90.000 Mitglieder
zählte. Ihre Sprache ließ keine Zweifel offen. Man kämpfe, so die Volunteers, gegen die Home
Rule, weil der herrschende Katholizismus unheilvolle materielle Folgen für ganz Irland, nicht nur
für Ulster habe.
So sehr zu dieser Zeit Konfrontation und Antagonismus die späteren Hauptkennzeichen
des Nordirlandkonflikts vorwegnahmen, so wenig spielte in Dublin oder in London der Gedanke
an eine Teilung der Insel in zwei autonome politische Verwaltungen eine Rolle - jedenfalls
solange sich der Druck der protestantischen Solemn League and Covenant kontrollieren ließ und
die Militarisierung der Irish National Volunteers im Süden nicht weiter voranschritt. Kurz vor
Ausbruch des Ersten Weltkriegs stand Irland am Rand eines Bürgerkriegs. Der Unionist Edward
Carson, Jurist von internationaler Reputation seit seinem Prozess gegen Oscar Wilde, trug die
Spannung in das liberale Kabinett von Herbert Asquith, das 1912 ein weitreichendes
Home-Rule-Gesetz verabschiedet hatte. Ulster bildete zunehmend eine Drohkulisse für die
britische Politik, so sehr, dass nach dem Dubliner Osteraufstand von 1916 die sechs nördlichen
Grafschaften schließlich permanent von der Home Rule ausgeschlossen bleiben sollten.
Irland und das Britische Empire
Keineswegs alle Iren betrachteten sich als Feinde Englands. Ihre quasi-koloniale
Verbindung lud dazu ein, im imperialen Umfeld Karriere zu machen. Als Lord Meath mit dem
1903 ins Leben gerufenen Empire Day unter dem Motto «One King, One Flag, One Navy» die
Dominions zu mehr Begeisterung für ihr Weltreich aufforderte, äußerte der
konservativ-unionistische Belfast News-Letter , keiner bringe dem Empire mehr emotionale
Verbundenheit entgegen als Ulster. Die Loyalität gelte dem Union Jack. Das ist bemerkenswert,
weil in den anderen drei Nationen der britischen Inseln nicht die Flagge, sondern stets die Krone
die stärkste zentripetale Kraft darstellte.
Krisen wie der Südafrikanische Krieg (1899-1902), in dem die meisten Iren auf Seiten
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