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Einführung der Eisenbahn zu verdanken. Seit 1834 verkehrte sie zwischen Dublin und dem
südlich gelegenen Wicklow, und bis zum Ende des folgenden Jahrzehnts wurden Linien zwischen
Dublin, Belfast, Galway, Cork, Limerick und Waterford verlegt. Im Jahr 1866 war das
Eisenbahnnetz auf fast 2000 Meilen angewachsen.
Wie in anderen Teilen des Britischen Empires, etwa in Indien, betrachtete man die
Eisenbahn als Sinnbild für die Modernisierung. Mögliche Hungersnöte konnten zukünftig besser
bekämpft werden, da die Krisengebiete logistisch leichter erreichbar waren. Umgekehrt konnten
Nahrungsmittel aus der ländlichen Peripherie problemloser in die Städte gebracht werden.
Preissteigerungen als Folge von schlechten Ernten waren somit nun kalkulierbarer und die
Landbevölkerung jenseits des regionalen Handels in einen internationalen Handel einbezogen.
Die lokale bäuerliche Produktion wurde Teil der globalen Marktmechanismen der
Kolonialmacht.
Emigration und sozialer Wandel
Eine Alternative zur politischen und wirtschaftlichen Ausweglosigkeit in Irland stellte die
Emigration dar. Kein europäisches Land hat in Relation zu seiner Bevölkerungszahl so viele
junge Menschen in die Emigration entlassen wie Irland in der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts. Politische Unmündigkeit, Armut, aber auch die traditionelle Mobilität und die
globalen familiären Vernetzungen waren Gründe dieses extremen sozialen Wandels.
Vor der Hungersnot war Irland vorherrschend ländlich geprägt gewesen. In dieser
agrarischen Welt herrschte üblicherweise Argwohn gegen das städtische Leben und seine
Diskrepanz zwischen Armut und Reichtum. Im Vergleich dazu lebten im industrialisierten
England um 1850 bereits fast 50 % der Menschen in Städten. Manchester zählte ungefähr
300.000 Einwohner und wuchs bis zur Jahrhundertwende auf über 1,2 Millionen. Die
Einwohnerzahl Berlins betrug über 2,4, diejenige von Paris über 3,3 Millionen. London war mit
6,6 Millionen Menschen die größte Stadt Europas, wahrscheinlich der Welt.
Die massive irische Depopulation infolge von Tod oder Emigration hatte zur Folge, dass
die gleichzeitige Landflucht die Stadtbevölkerung insgesamt nicht wachsen ließ. Diese
konzentrierte sich nur stärker auf einige wenige Städte. 1841 lebten in Dublin 232.726, in Belfast
75.308 und in Cork 80.720 Menschen. In diesem Jahr wohnten in Irland nur 5 % der
Gesamtbevölkerung in Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern, in England waren es 30 %. Vor
Ausbruch des Ersten Weltkriegs hatte sich dieser Anteil in Irland auf 15 % erhöht, während er in
Schottland bei 40 % und in England bei 51 % lag. Seitdem hat die Geschwindigkeit der
Urbanisierung Irlands nachgelassen. Dass die im Vergleich zu England schwächer
industrialisierten irischen Städte die überschüssige Bevölkerung vom Land zunächst langsamer
aufnahmen, hatte mit dem geringen Angebot an Arbeitsplätzen in den Städten zu tun. Der
Kleinhandel dominierte, in Dublin und Belfast auch der Fernhandel, nicht jedoch Gewerbe und
produzierende Industrien.
Stadtluft machte vielleicht frei, doch nicht unbedingt gesund. Die Sterblichkeitsraten in
den Zentren waren überdurchschnittlich hoch, vor allem dort, wo wie in den Slumgürteln um die
Innenstädte die Bevölkerungsdichte zunahm und die Familien auf engstem Raum leben mussten.
Zeitgenössisch wurden diese Hüttenstädte «Cabin Towns» genannt. Fabrikarbeiter, Tagelöhner
und Bettler mit ihren Familien teilten sich die Wochenmieten, so dass bis zu drei Familien in
einer Zweizimmerwohnung unter unerträglichen sanitären Bedingungen eingepfercht waren.
Etwa jeder vierte Einwohner von Cork besaß kein Bett. Das Stadtbild war von der Nachbarschaft
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