Travel Reference
In-Depth Information
Handelsgut wurde, je mehr England in Übersee investierte und je stärker sich auch katholische
Iren in imperialen Außenposten engagierten. Zwischen 1730 und 1780 suchten immer mehr
Katholiken ihr Glück im Handel mit der Neuen Welt, und immer mehr siedelten sich in
Pennsylvania an. Produkte wie Weizen, Tabak, Rum und Zucker kamen von dort aus über Irland
nach Europa. Doch je selbstständiger die amerikanischen Kolonien wurden, umso stärker
profitierten vor allem sie und nicht Irland vom internationalen Handel.
Ab dem 18. Jahrhundert sind für Irland zeitgleich ein starkes Bevölkerungswachstum und
eine steigende Immigration zu verzeichnen. Um 1700 besaßen ungefähr 27 % der Bevölkerung
Irlands einen englischen oder schottischen Hintergrund, während dieser Anteil um 1600 noch bei
lediglich 2 % gelegen hatte. Zwischen dem späten 17. und dem frühen 19. Jahrhundert konnte
kaum ein europäisches Land derartig hohe Zuwachsraten seiner Bevölkerung aufweisen. Hatte
Frankreich um 1600 noch eine fast 20-mal so große Bevölkerung wie Irland, so war sie im Jahr
1841 nur noch viermal so stark. Schottlands Bevölkerung, ursprünglich in etwa gleich groß wie
die der Nachbarinsel, betrug um 1800 nur etwa ein Drittel der Bevölkerung Irlands. Die
Einwohnerzahl nahm hier alle zehn Jahre um ungefähr 15 % zu, von 3,75 Millionen im Jahr 1788
stieg sie bis 1821, dem Jahr des ersten Zensus, auf 6,8 Millionen. Die Ursachen für diese
Entwicklung waren vielfältig, ein frühes Heiratsalter mag dazu beigetragen haben.
Bedeutsam war neben der intensivierten Landwirtschaft, der Nutzbarmachung von Heide-
und Moorland und der Schaffung neuer Bauernhöfe durch Teilung des Landes in kleinere
Parzellen sicherlich die Tatsache, dass die Kartoffel zum wichtigsten Grundnahrungsmittel
geworden war. Da der Kartoffelanbau selbst auf landwirtschaftlich wenig ergiebigen Böden
betrieben werden konnte, wurde er zum Markenzeichen der ärmsten Mitglieder der
Agrargesellschaft. Damit änderte sich auch die Siedlungsstruktur des ländlichen Raumes
grundlegend. Die seit dieser Zeit typischen Wallhecken hegten die einzelnen Parzellen ein und
schufen das bis heute für Irland charakteristische Landschaftsbild von relativ kleinen Nutzflächen
und Gutshöfen. Dieses Muster von Einzelhofsiedlungen, das letztlich auf keltische Traditionen
zurückgeht, wurde im 18. Jahrhundert durch ein dichtes Straßen- und Wegenetz perfektioniert.
Die Kartoffel wurde hier in großen Mengen angebaut, aber nicht exportiert, sondern mit Milch,
Fisch, Gemüse, Schinken und Fleisch vor Ort verzehrt. In Ulster rückte Porridge für die täglichen
Mahlzeiten in den Mittelpunkt, im Süden gewann Schweinefleisch an Bedeutung. Demgegenüber
hatte die noch im 17. Jahrhundert so allgegenwärtige Butter ihre Stellung eingebüßt.
Wenn europäische Irlandreisende Berichte schrieben, so richteten sie ihr Augenmerk
häufig auf die Essgewohnheiten. Im Unterschied zu den meisten europäischen Ländern waren
diese in Irland weniger beständig und hingen stark vom Außenhandel ab. War ein Konsumgut
wie z.B. die Butter erst exportfähig geworden, so löste seine Kommerzialisierung die Etablierung
einer neuen Esstradition aus. So trat in Irland an die Stelle der gut exportierbaren Milchprodukte
der Anbau des in Europa ausreichend vorhandenen Getreides - mit den fatalen Folgen einer
einseitigen Ernährung. Die medizinische Versorgung war nach wie vor eine Frage des Geldes.
Krankheiten wie Pocken und Typhus trafen die ärmeren Schichten besonders hart. Es gab noch
keine Gesetze zum Schutz der Armen, sondern lediglich Arbeitshäuser, die meist als karitative
Organisationen geführt wurden.
Wie im kulturellen bestand auch im ökonomischen Leben Irlands eine fast
unüberbrückbare Diskrepanz zwischen West und Ost. Kerry, Connemara und Donegal waren
unvergleichlich ärmer als die hochgradig anglisierten und kommerzialisierten Grafschaften
Wexford oder Meath. Das ländliche Proletariat in den gälischen Provinzen litt unter schlechten
Ernten unmittelbar. Hier führten Ernteausfälle direkt zu Hungersnöten, und hier wirkten sich
Preisfluktuationen im europäischen Butterhandel besonders nachhaltig aus. Sofern die lokale
Wirtschaft sich auf Monokulturen beschränkte, machte sie sich von äußeren Einflüssen abhängig.
Search WWH ::




Custom Search