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Pluralismus der Religionen eine kulturelle Bedeutung: «Wenn es in England nur einen Glauben
gäbe, müsste man Despotismus fürchten; gäbe es zwei, schnitten sie sich die Hälse ab; aber es
gibt dreißig davon, und sie leben glücklich und in Frieden.» Was Voltaire zufolge für England
galt, war auch in Irland in Maßen möglich. Intoleranz gegenüber dem religiös Anderen war kein
gutes Rezept zur Befriedung des Nachbarn.
Infolgedessen lässt sich als ein Merkmal der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts die
ambivalente Stellung der Ascendancy festhalten, die sich noch für Arthur Youngs Reiseeindrücke
A Tour in Ireland (1780) als prägend erweisen sollte. Als gesellschaftliche Minderheit
beanspruchte die Ascendancy eine kulturelle und politische Deutungshoheit, die sie als
natürliches wie historisches Recht zu behaupten suchte. Gleichwohl schien sie konstant in Frage
gestellt zu sein, weil zu erwarten war, dass das englische Parlament dem Druck nach
Liberalisierung der antikatholischen Gesetzgebung irgendwann nachgeben würde. Aus dieser
fragilen politischen Stellung der Ascendancy erklärt sich, dass ihr Konzept von Zivilisation zum
einen den Anspruch auf parlamentarische Repräsentation und zum anderen die
kulturprotestantische Mission umfasste.
Die argumentative Legitimationsbasis bildeten die Prinzipien der Glorreichen Revolution
von 1688. Konservative Zweige der Ascendancy, die sich in der Tradition von Swifts
anglophoben Drapier's Letters als «Tories» bezeichneten, einte die einmalige Kombination aus
kompromisslosem Protestantismus und einer zynischen Distanz zur Übernahme des englischen
Throns durch die Hannoveraner 1714. Bis zur endgültigen Niederschlagung der Jakobiten, der
Anhänger Jakobs II., im Jahr 1745 war nicht auszuschließen, dass die Katholiken die
Stuart-Dynastie wiederherzustellen versuchten. Ein stehendes protestantisches Heer von über
15.000 Mann sollte innere Stabilität und äußere Abwehr der Franzosen garantieren. Es wurde
durch die vielen Kasernen auch visuell präsent. Jegliches politisches Zugeständnis an die
Katholiken, welches den irischen liberalen Whigs akzeptabel erschien, war daher fürs Erste
undenkbar.
Politisches und kulturelles Leben
Die Tories spalteten sich in Theoretiker wie Molyneux und Swift auf der einen und
Praktiker wie Charles Lucas auf der anderen Seite. Lucas war ein Vertreter der radikalen, sich
selbst als Patrioten bezeichnenden Fraktion, die die Dubliner Bevölkerung in Kundgebungen
aufwühlte und eine beschränkte politische Agitation allmählich zum städtischen Alltag machte.
Im Jahr 1744 schrieb er Divelina Libera. An Apology for the Civil Rights and Liberties of the
Commons and Citizens of Dublin , eine Schrift, für die ihn die englische Regierung vier Jahre
später verhaftete. Dabei lag die umkämpfte Herrschaft noch nicht auf der Straße. Es ging
vielmehr um die Abwehr von englischen Mittelsmännern und deren Versuch, stärkeren Einfluss
auf das lokale und regionale Leben zu nehmen. Außerdem war das Parlament käuflich geworden.
Im Oberhaus saßen anglikanische Bischöfe, im Unterhaus Regierungsbeamte und Grundbesitzer,
die ihre angeblichen Wahlbezirke nach dem gleichen System besetzten, nach dem sie das Land in
diesen Bezirken besaßen. Es beschränkte sich auf eine überschaubare Anzahl führender und
wohlhabender Familien. Seit der Thronbesteigung Georgs III. 1760 war zudem zu beobachten,
wie der Hof die Stellung des Vizekönigs in Dublin stärkte und z.B. mit George Townshend einen
Vertreter installierte, der durch seine erstmalig dauerhafte Präsenz zwischen 1762 und 1772 einen
konzentrierten Machtfaktor im Dubliner Schloss schuf. Das politische Geschäft wurde dadurch
noch komplizierter.
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