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derne Gebäude entstanden sind, die
Einkaufszentren, Banken, Hotels oder
Büros beherbergen.
Doch ob jung oder alt, die Esten
sind stolz auf ihre Hauptstadt, in der
die Mitglieder der Regierung hinter
der frühklassizistischen Fassade des
Stenbockhauses auf Flachbildschirme
schauen, wo die Parkuhren vor der
mittelalterlichen Stadtmauer mit dem
Handy bezahlt werden können und
wo sich dennoch fast jeder Bewohner
mit den alten Legenden und Mythen
der Stadt auskennt.
So spielt natürlich auch die Haupt-
stadt eine bedeutende Rolle im estni-
schen Nationalepos „Kalevipoeg“. Der
Domberg beispielsweise, eine Kalk-
steinanhöhe, die bis zu 48 Meter über
dem Meeresspiegel liegt, ist - so die
Sage - der Grabhügel des mythischen
Königs Kalev, den seine Frau Linda auf-
schüttete. Die Tränen, die sie nach
dem Tod ihres Gatten verschüttete, bil-
deten den See Ülemiste im Südosten
der Stadt.
Hier schließt sich eine andere Le-
gende an: Jedes Jahr im Herbst steigt
ein kleines graues Männlein aus dem
See und fragt den Stadtwächter, ob
die Stadt schon fertig erbaut sei.
„Nein, noch lange nicht, es wird noch
Jahre dauern, bis alle Bauarbeiten be-
endet sind“, lautet Jahr für Jahr die
Antwort und das Männlein kehrt
grummelnd in seinen See zurück.
Wenn Tallinn einmal fertig sei, so heißt
es in einer der vielen Sagen, würde
das Männlein das Wasser des Sees
über die Ufer treten lassen, um die
Stadt zu vernichten. Um dieser Zer-
störung zu entgehen, wurde den
Wächtern vor langer Zeit per Gesetz
verboten, jemals die Frage zu bejahen.
Doch selbst heute müsste sich nie-
mand in Lügen verstricken, um das
drohende Schicksal abzuwenden. Wer
zum wiederholten Mal in die Hanse-
stadt reist, wird dies angesichts des
sich stetig wandelnden modernen Tal-
linns außerhalb der Stadtmauer be-
stätigen.
Auch um die Entstehung und die
Namen der Stadt rankt sich eine Le-
gende. Nachdem der dänische König
Waldemar II. Nordestland erobert hat-
te, vergnügte er sich eines Tages bei
der Jagd. Ein prächtiger Rehbock lenk-
te die Aufmerksamkeit des Königs auf
sich, der beschloss, das Tier lebendig
zu fangen. Tagelang verfolgte er mit
seinen Leuten den Rehbock, bis es
den Jägern gelang, ihn am Rand eines
steilen Felsens zu umzingeln. Doch
das edle Tier zog den Tod der Gefan-
genschaft vor und stürzte sich den Ab-
hang hinunter. Der König beschloss
daraufhin, an dieser Stelle eine Stadt
zu gründen: Tallinn. Am Fuße des
Dombergs steht heute eine kleine
Rehfigur, die an die Legende erinnert.
Etwas scherzhaft wird auch der alte
deutsche Name der Stadt - Reval - als
Erinnerung an den „Reh-Fall“ ange-
sehen.
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