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In-Depth Information
lässt sich sagen, dass Estland, nicht zu-
letzt durch die lange geschichtliche
Verbindung, ein uns im Wesentlichen
sehr vertrauter Kulturraum ist. Die
Menschen sind weder vom Äußeren
noch vom Verhalten her vollkommen
anders oder gar exotisch.
Versucht man trotzdem, einige ge-
nerelle Aussagen zu treffen, lassen
sich Esten als typisch nordisch-reser-
viert charakterisieren. Anders verhält
es sich mit den im Land lebenden Rus-
sen. Sie sind im Allgemeinen redseli-
ger und aufgeschlossener gegenüber
Fremden.
Die für eine Vielzahl von Esten zu-
treffende Zurückgezogenheit und In-
trovertiertheit, aber auch ihr Fleiß und
ihre Anpassungsfähigkeit sind einer-
seits auf die Geschichte des Landes,
das jahrhundertelang unter Fremd-
herrschaft stand, andererseits auf das
Klima zurückführen. Lange und dunkle
Winter wirken schließlich nicht gerade
gemütsaufhellend. Deshalb spiegelt
sich der Jahresrhythmus teilweise auch
in der Stimmung der Menschen wie-
der. Im Winter eher verschlossen, gibt
sich der Este im Sommer offener und
kommunikativer, eine Beobachtung,
die man aber sicherlich auch in ande-
ren nördlichen Ländern machen kann.
Was viele Besucher, vor allem jene,
die eine Weile im Land leben, als ge-
wöhnungsbedürftig empfinden, ist die
Fähigkeit der Esten, lange und ausgie-
big zu schweigen, ohne dies als „pein-
liche Stille“ zu empfinden. Esten sind
zurückhaltend und eigenwillig, prag-
matisch und sachlich, dafür aber selten
arrogant und niemals aufdringlich.
Zwar ist der durchschnittliche Este
nicht gerade ein guter Smalltalk-Part-
ner, doch sollte man seine Wortkarg-
heit nicht als Unwilligkeit oder gar als
unfreundlich abtun. Das wird man
leicht feststellen können, wenn man ei-
nen Esten nach Auskunft fragt. Er wird
wahrscheinlich nicht viele Worte ver-
lieren, aber bereitwillig und präzise
antworten und gern weiterhelfen.
Traditionen und Bräuche
Feste und Lieder
Lieder und Gesang spielen in Est-
land eine große Rolle. Im Laufe der
Geschichte waren Lieder ein Mittel,
die eigene Identität zu erhalten und zu
überliefern. Zur Zeit des „Nationalen
Erwachens“ (siehe „Geschichte“) fand
das erste nationale Sängerfest statt.
Johann Voldemar Jannsen (siehe auch
„Literatur“) und die Vereinigung „Va-
nemuine“ riefen die heute zur Institu-
tion gewordene Feierlichkeit im Jahre
1869 ins Leben. Die Sängerfeste tru-
gen erheblich dazu bei, dass aus dem
estnischen Bauernvolk eine Kulturna-
tion wurde, die sich nach jahrhunder-
telanger Unterdrückung und Fremd-
herrschaft seiner eigenen Tradition
und Kultur besinnen konnte.
Das galt auch Ende der 1980er Jah-
re, denn nicht zuletzt war es die „Sin-
gende Revolution“, die den Esten die
lange ersehnte Freiheit brachte. 1988
versammelten sich Hunderttausende
zum Sängerfest in Tallinn. Mit patrioti-
schen Liedern und politischen Forde-
 
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