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Die chemische Formel legt eine Verbindung aus 4fach positiven Si-
liziumkationen und 3fach negativen Stickstoffanionen nahe und damit
heteropolare Bindung. Tatsächlich überwiegt aber deutlich die homöopo-
lare Bindung. Wieder ist ein Tetraeder der Grundbaustein. Analog dem
SiO 2 befindet sich das Silizium im Zentrum des Tetraeders und ist in die-
sem Fall von 4 Stickstoffatomen umgeben. Die Stickstoffatome bilden
die Brücken zwischen den Tetraedern. Die Besonderheit besteht darin,
dass sie Brücken zu drei weiteren Tetraedern bilden. Das deutet wieder
auf eine zumindest anteilige dreifach negative Ladung. Die Bindung an
drei Tetraeder bewirkt eine bessere räumliche Vernetzung der Tetraeder
als bei Silikat-Keramiken (Kap. 4 ) . Dadurch wird die Gesamtstruktur ex-
trem stabil und bleibt es auch bis zu hohen Temperaturen.
Für das reine Si 3 N 4 unterscheidet man eine ˛ - und eine ˇ -Modifikati-
on. Beide kristallisieren hexagonal. Aus der unterschiedlichen Drehung
der Tetraeder zueinander folgen verschiedene Eigenschaften.
Im Unterschied zu anderen Nichtoxid-Keramiken nutzt man für die-
se spezielle Keramik häufig die Gasphasensinterung, um einen dichten
Werkstoff zu erhalten. Man macht aus der Not eine Tugend und nutzt
die erhöhte Verdampfungsneigung der Kristalle ab etwa 1900 °C. Vor-
aussetzung für das Verfahren ist eine bimodale Korngrößenverteilung der
Rohstoffe. Kleine Körnchen von etwa 100 nmGröße verdampfen bei die-
ser Temperatur völlig. Beim Abkühlen des Materials kondensieren sie
an der Oberfläche der deutlich größeren (etwa 100 µm) Kristalle. Denen
macht die Verdampfung einer Oberflächenschicht in nm-Größenordnung
nichts aus. Die kondensierte Phase kristallisiert zu ˇ -Si 3 N 4 ,dasdieBin-
dung zwischen den großen Körnern bewirkt.
Siliziumnitrid-Keramiken werden in der Regel in Stickstoffatmosphä-
re gesintert. Das wirkt der schon bei 1900 °C deutlich spürbaren Disso-
ziation der Verbindung entgegen. Ohne besondere Auslagerung weisen
die zur Herstellung benutzten Si 3 N 4 -Körnchen eine dünne SiO 2 -Schicht
auf, die das Dichtsintern unterstützt. Man kann das Sintern aber auch so
gestalten, dass der Sauerstoff durch Diffusionsvorgänge auf Gitterplätze
des Stickstoffs gelangt. Es entstehen Oxinitride. Die größte praktische
Bedeutung haben SiAlONe erlangt, in deren Kristallgitter auch Alumini-
um zu finden ist. Siliziumnitrid-Keramik ist der einzige stabile Keramik-
Werkstoff, in dem sich gleichzeitig Sauerstoff- und Nichtsauerstoffanio-
nen im Kristallgitter befinden können.
 
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