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Europas größter Stausee -
der Grande Lago und das verschwundene Dorf
Dona Adelina sitzt im Schatten ihres frisch gekalkten weißen Häuschens.
Die Sonne sticht und die gebeugte Senhora, ganz in Schwarz, hält ihr von
tiefen Falten geprägtes Gesicht in die leichte Brise, die von Westen her ein
bisschenErfrischungbringt.IhraltesHauswaranders,meintsiewehmü-
tig, doch klagen wolle sie nicht. Dies sei halt neu. Das frühere Heim stand
in dem Örtchen Aldeia da Luz, das für den Stausee Alqueva „geopfert“
wurde, wie die Einwohner sagen. Das 400-Seelen-Dorf lag inmitten des
Flutplans und musste weichen. Die Kopie nennt sich Vila Ribeirinha da
Luz und liegt wenige Kilometer nördlich am Ufer des neuen Sees. Die Fa-
milien verabschiedeten sich von Häusern und Andenken und bezogen ein
adrettes, sauberes Dorf. Zu adrett und sauber vielleicht. Denn glücklich
sindsieseithernichtmehr.Esscheint,alsseidieSeelederGemeindeinden
FlutendesGuadianauntergegangen.DieWallfahrtskircheNossaSenhora
daLuzwurdeSteinumSteinversetzt,diegleicheistsiedeshalbnochlange
nicht. „Das Schlimmste war die Umsiedelung des Friedhofs“, erzählt Se-
nhorManuelmitfeuchtenAugen.ImmodernenDorfmuseumwirddasal-
teAldeiadaLuzmitAusstellungsstücken,FotosundDokumentarfilmenle-
bendig. Nicht selten gesellen sich zu den Besuchern die Einwohner, die ihr
Heimweh zu lindern suchen. Das neue Dorf wirkt verwaist. Nur wenige
junge Familien leben hier. Die Grundschule hat Mühe, die vorgeschriebe-
ne Mindestanzahl von Kindern zu erreichen. Das einzige Restaurant hat
schon wieder geschlossen. Schlimmer noch: Der Umzug hat Unfrieden in
die Gemeinde gebracht. Einstmals gute Nachbarn verfeindeten sich wegen
der Größe ihrer Grundstücke und dem Verlauf der Grenzen.
Die Barragem da Alqueva ist der größte Stausee Europas und ein Ge-
meinschaftsprojekt Portugals und Spaniens. Der Grenzfluss Guadiana
wurde im Jahr 2002 bei Alqueva im portugiesischen Alentejo gestaut und
hatheutealsSeeeineFlächevonüber250km²,85kmLängeund1200km
Uferlänge,davon1000kmalleinaufportugiesischerSeite.Heuteziehtsich
der See von Alqueva im Alto Alentejo über 85 Kilometer bis nach Villareal
inSpanien.DochmehralsZahlenbeeindrucktdiegrundlegendveränder-
te Landschaft, die mit dem Grande Lago geschaffen wurde. Das einst tro-
ckeneWeidelandpräsentiertheuteeinlieblichesSeenszenarioundistWas-
serspender für eine landwirtschaftlich geprägte Region. Burgen und mit-
telalterliche Städte, Minidörfer mit Namen wie „Licht“ oder „Stern“ er-
zählen von alten Zeiten. Doch die Idylle birgt auch Probleme in sich.
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