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Kurzzeitige Aufbruchstimmung
Die ehrgeizigen Reformbemühungen begannen gleich nach Machtüber-
nahme der Übergangsregierung des Revolutionsrats 1974. Dazu gehörte
auch eine Agrarreform bei der mehr als eine Million Hektar Land ehema-
liger Großgrundbesitzer an Kooperativen verteilt wurde. Vor allem im
Alentejo wurden die Liegenschaften zunächst aufgelöst. Auch wichtige
Industrien und Banken wurden verstaatlicht. Die Landnahmen und Be-
setzungen erschreckten das konservative Bürgertum und auch die ähnlich
geprägten Kleinbauern aus dem Norden rebellierten gegen diese Politik.
Die ganze Welt blickte nach Portugal, je nach politischer Gesinnung be-
sorgt oder optimistisch. Viele europäische Linke, darunter zahlreiche
Deutsche, strömten in der Hoffnung auf einen sozialistischen Idealstaat
ins Land. Von einem „europäischen Kuba“ war gar die Rede.
Die sozialen Erneuerungen hielten jedoch nicht allzu lange an. Gleich
die neu gewählte Regierung unter Soáres machte die eingeleiteten Refor-
men rückgängig und gab die verstaatlichten Ländereien an die Groß-
grundbesitzer zurück. Der Druck des westlichen Auslands und die Furcht
vor einer kommunistischen Keimzelle im westlichen Europa spielte dabei
eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die Linken träumten von der idealen
Volksdemokratie, die Rechten versuchten, dies mit aller Macht zu verhin-
dern. Die großen Ideale der roten Revolution verpufften in der portu-
giesischen Realität. Die Ernüchterung über Korruption und Machtspiele in
der Politik und über die verlorene Chance zur Gestaltung einer neuen Ge-
sellschaft enttäuschte bald viele Portugiesen, die auf mehr Gerechtigkeit
gehofft hatten. Das Misstrauen gegenüber der politischen Elite ist in Por-
tugal bis heute in weiten Kreisen präsent.
Portugal als EU-Land (seit 1986)
Gemeinsam mit dem wirtschaftsliberal geprägten Premierminister und
Ökonomen Aníbal Cavaco da Silva führte der Rechtsanwalt und Sozialist
Mário Soáres - inzwischen war er Staatspräsident - Portugal im Jahr 1986
in die Europäische Gemeinschaft. Die gebeutelte Nation stabilisierte sich
während der kommenden Jahre als westliche Demokratie. Zunächst er-
lebte Portugal mit dem Beitritt Riesenfortschritte in Wirtschaft und Infra-
Modernes Lissabon: Blick über das
einstige EXPO-Gelände, heute Parque das Nações
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