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heiten der Armee und einer linken studentischen Bewegung aus. Die put-
schenden Offiziere nahmen die Befehlsgewalt an sich und marschier-
ten zum Regierungspalast. Vier Stunden später besetzten sie Lissabon und
wurden von einer enthusiastischen Menschenmenge empfangen. Außer
vier Toten und einer Handvoll Verletzter verlief die Aktion unblutig, was
weitgehend der Vernunft und klugen Strategie Salgueiro Maias zu verdan-
ken war. Die Euphorie und Aufbruchsstimmung im Land war groß. Von ei-
nem Tag auf den anderen sah man die Freiheit am Horizont. Die linken
Revolutionäre hofften auf eine Demokratie und wirtschaftliche Verbesse-
rungen sowie Bürgerrechte für das gegeißelte Volk.
Die Frauen steckten beim Truppeneinzug rote Nelken in die Gewehr-
läufe der Soldaten. Angeblich soll eine Blumenfrau damit begonnen ha-
ben, indem sie einem Uniformierten eine rote Nelke schenkte, die dieser
in sein Gewehr stülpte. Bilder, die um die Welt gingen und der Revolution
ihren Namen verliehen: Revolução dos Cravos - „Nelkenrevolution“.
Marcelo Caetano trat zurück. Ein links gerichteter Revolutionsrat wurde
einberufen. Die ersten Wochen bis zu einer Regierungsbildung dominier-
ten Machtkämpfe zwischen dem konservativen General Spínola und dem
sozialistisch geprägten Hauptmann Otelo innerhalb der Bewegung der
putschenden Streitkräfte MFA (Movimento das Forças Armadas). Die ers-
ten Präsidentschaftswahlen 1976 auf Basis einer neuen Verfassung ge-
wann dann aber doch der gemäßigte General Ramalho Eanes. Die Furcht
vor einem radikalen Sozialismus und einer Machtübernahme der Kommu-
nisten obsiegte. Mário Soáres von der PS (Partido Socialista) wurde der
erste frei gewählte Regierungschef nach mehr als 50 Jahren. Ein Refe-
rendum besiegelte die neue demokratische Verfassung.
Das völlig verarmte Land benötigte dringend Finanzhilfen. Die interna-
tionale Gemeinschaft, vor allem Deutschland und Frankreich unterstütz-
ten Soáres und seine Regierung sowohl politisch als auch wirtschaftlich.
Die neue Regierung gab die verbleibenden afrikanischen Kolonien Mo-
sambik, Angola, São Tome und Principe sowie Guinea-Bissau auch auf
Druck der UNO auf.
Nur Macau verblieb noch bis zur Übergabe an China 1999 unter portu-
giesischer Verwaltung. Ost-Timor wurde 1975 von Indonesien annektiert.
Die Truppen und Soldaten kehrten traumatisiert und desillusioniert nach
Portugal zurück. Mit ihnen kam die Mehrheit der portugiesischen Ein-
wohner der afrikanischen Kolonien. Sie ließen ihre Häuser und Geschäfte
zurück und kehrten Afrika aus Furcht vor Repressalien der neuen unab-
hängigen Regierungen den Rücken. Sie kamen vom kolonialen Wohlstand
in ein armes Mutterland und viele hatten ihre Schwierigkeiten, sich dort
zurechtzufinden.
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