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lazarismo propagierte den Größenwahn des Império Ultramar, des Über-
seekaiserreichs. Die afrikanischen Kolonien sollten durch und durch „por-
tugiesisch“ werden und so die fehlende Größe und politische Bedeutung
des Mutterlandes kompensieren. Portugal lebte auf Kosten seiner Kolo-
nien, beutete Rohstoffe aus und importierte billige landwirtschaftliche Pro-
dukte. Nur so konnte es all die Jahre überleben. Derweil war die Landbe-
völkerung praktisch von allen Entwicklungen des restlichen Europa und
der Welt ausgeschlossen und so arm wie nie.
Über zwei Millionen Portugiesen emigrierten zwischen 1950 und
1970 mit dem Ziel einer besseren Zukunft in andere Länder, vor allem
nach Frankreich, Deutschland oder Übersee. Dazu kamen viele politische
Flüchtlinge. Im Heimatland waren die Medien zensiert, Frauen durften nur
in Ausnahmen Berufe ausüben und waren dem Ehemann rechtlich zum
Gehorsam verpflichtet, freie Meinungsäußerung und Demonstrations-
recht existierten nicht. Wer dagegen aufbegehrte wurde schonungslos
von der PIDE verfolgt. Verhaftungen waren an der Tagesordnung. Wer
Glück hatte, wurde des Landes verwiesen, ansonsten warteten Folter, Ter-
ror oder gar der Tod. Vor allem die Kommunistische Partei setzte sich mas-
siv gegen das Unrechtsregime zur Wehr. Ihre Anhänger wurden dement-
sprechend streng überwacht.
Wirtschaftlich stärkte Salazar die Macht der Großgrundbesitzer. 70 Pro-
zent der Ländereien gehörten einer Handvoll einflussreicher Familien-
clans. Eine Oligarchie aus knapp 100 Familien bildete den Machtzirkel um
den Diktator, eine elitäre Gesellschaft aus Landadel, Bankiers, Kirchen-
oberhäuptern und Militärs. Die restliche Bevölkerung waren arme Bauern,
Fischer und Landarbeiter. Nach Ende der Ära Salazar verfügte die Mehr-
heit der Bevölkerung nur über eine geringe oder gar keine Schulbildung,
die Analphabetenrate der Landbevölkerung lag bei 40 Prozent.
Im Zweiten Weltkrieg sicherte Salazar die Neutralität Portugals, womit er
sich bei der Bevölkerung beliebt machte. Ideologisch stand er auf der Seite
der Nationalisten und belieferte Deutschland und die Alliierten gleicherma-
ßen mit Wolfram für die Waffenindustrie. Geheimagenten aller Kriegspar-
teien agierten zu dieser Zeit in den Küstenstädten Cascais und Estoril. Die
noblen Villenstädte nordwestlich von Lissabon wurden zum Tummelplatz
für deutsche und englische Spione. 1943, angesichts eines bereits politisch
isolierten und geschwächten Nazideutschlands, erlaubte Salazar den Ame-
rikanern die Einrichtung von Luftwaffenstützpunkten auf den Azoren.
Ab 1960 begannen Angola, Mosambik und Guinea-Bissau gegen das
Mutterland zu revoltieren und forderten ihre Unabhängigkeit ein. Blutige
Kolonialkriege ohne Aussicht auf Lösung zermürbten die gegnerischen
Parteien und belasteten den portugiesischen Staatshaushalts zunehmend.
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